Allheilmittel Plattformbanking im Firmenkundengeschäft?

Seit Jahren, macht der Hype vom Plattform-Banking die Runde. Ich sage bewusst Hype, denn selten gibt es bei noch sehr nebulösen Vorstellungen über eine Ausgestaltung der Zukunft derart viel Hoffnung, die damit verbunden wird. Hinzu kommt, dass zahllose Beratungsgesellschaften mit ihren Whitepapers das Zeitalter der Plattformen ausgerufen haben und weiter ausrufen.

Natürlich gibt es die Notwendigkeit oder auch das wachsende Kundenbedürfnis für eine vollständige Digitalisierung der Produktpalette einer Bank im Firmenkundengeschäft – und dies schließt die Online-Abschlussfähigkeit selbstverständlich mit ein. Manche mögen diesen medialen Vertriebskanal bereits als Plattform bezeichnen – ich würde sie maximal als Kunden-Cockpit titulieren. Denn die Plattform, die dahinter steht, ist allenfalls eine rein technische.

Wenn man mit Bankern über Plattform und Zukunft spricht, dann kommen oft die Bilder von den großen Digitalkonzernen und Startups, die auch ohne eigene Assets hohe Börsenbewertungen erreichen – Uber, AirBNB usw.

Die Idee, also der Wunsch hinter der Plattform-Bewegung ist es also ganz offensichtlich, den Mehrwert aus den Kundenbeziehung zu Monetarisieren. Bösartig formuliert also den eigenen Vertriebsmehrwert als Mauthäuschen zwischen die Kundenbeziehung und den Produktlieferanten zu stellen. Oftmals wird in diesem Kontext auch ein Unternehmen wie Amazon genannt, also die Idee und Fähigkeit eigenen Kunden auch Fremdanbietern zugänglich zu machen und gleichzeitig von den erfolgreichen Fremdanbietern zu lernen und das eigene Produktangebot zu optimieren (und die Fremdanbieter dann wieder abzuwehren).

Auf dem Papier sind das erst einmal ganz tolle Ideen, allerdings darf man nicht vergessen, dass es in der digitalen Welt für fast jedes Problem eigentlich immer nur ein erfolgreiches Unternehmen gibt (rechtliche oder geopolitische Marktbeschränkung einmal außen vor gelassen). Es bedeutet, dass nur die größte und die leistungsfähigste Plattform den Markt überleben wird. Das liegt daran, dass nur der Stärkste von Kunden und Produktanbietern zugleich als hinreichend relevant angesehen wird; die anderen werden sukzessive austrocknen.

Was in diesem Kontext aber auch eine ganz erhebliche Rolle spielt, ist die Tatsache, dass die Banken und Sparkassen bisher traditionell an dem Universalbankmodell festhalten. Bis auf Spezialprodukte werden alle Produkte im Haus selbst „hergestellt“ bzw. auch zu gelieferte Produkte werden individualisiert und auf das Haus angepasst. Es gibt außerhalb des Wertpapier- und Versicherungsgeschäftes kaum eine Kultur in Banken, die mit dem Vertrieb von White-Label-Lösungen erprobt ist. (Fremdsoftware wird zumeist in das eigene Angebot oder ein Leistungspaket integriert.)

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Banken in einem hohen Maße Fixkosten getrieben sind. Fixkosten haben nun mal (leider) die Angewohnheit dass es viele mögliche Konventionen gibt, wie diese Fixkosten auf Geschäftsfelder, auf Kunden und auf Produkte herunter gebrochen werden können. Damit lässt sich nur erahnen, wie groß mögliche und gleichzeitig auch realistische Bandbreiten für die Prozesskosten der einzelnen, eigenen Produkte sind. (Und manchmal wurde das Prinzip „Gieskanne“ auch zur Vermeidung von internen Konflikten verwendet.)

Eine echte Plattform-Strategie führt also ganz zwangsläufig im ersten Schritt dazu, dass ich meine eigenen Produktionsprozesse durchkalkulieren und mit dem Wettbewerb benchmarken muss. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet dies, dass sich für mein gesamtes Produktangebot, für jedes einzelne Produkt eine make-or-buy Entscheidung treffe.

Bereits dieser erste Schritt wird die Bank, die sich für eine Plattform-Strategie entschieden hat, also mit ganz erheblichen Veränderungen konfrontieren.

Bevor also eine Plattform-Strategie entwickelt wird, muss man sich über die eigenen Stärken und Schwächen im Klaren sein. Auf der Plattform haben die eigenen Schwächen nichts zu suchen und nur die Stärken ermöglichen einen Erfolg im Markt.

Wenn meine individuelle Stärke die Kunden sind, ich also eine Kundenbank bin, dann muss ich das Augenmerk auf die Bedarfserkennung und die Bedarfsabdeckung am Kunden legen. Und dann muss es egal sein, von wem physisch die Lösung geliefert wird. (= Ich bin Betreiber meiner Kundenplattform und biete Kundenzugang; gleichzeitig muss ich meine Kundenbeziehungen gegen Dritte abschirmen – das gelingt vorrangig durch gute Beratung.)

Wenn meine individuelle Stärke hingegen die effizienten Prozesse sind, ich also eine Prozessbank bin – und dabei höchstwahrscheinlich auch Kostenführer, dann muss mein Ziel sein, über Plattformen jedweder Anbieter die Auslastung und den Erfolg meines Apparates zu steigern. (=Ich bin Zulieferer für die Plattformen Dritter)

Als Bilanzbank, d.h. ich bin mit einer guten Risikotragfähigkeit ausgestattet und habe meine Stärke im Risikomanagement, kann ich mich für einen der beiden vorgenannten Wege entscheiden, um zu mehr Geschäft zu kommen. Da ein Kredit über seine Laufzeit auch eine gewisse Bindungswirkung zum Kunden entfaltet, könnte der Weg der Kundenbank durchaus eine sinnvolle Perspektive darstellen.

Das vorstehend Geschriebene gilt aber eben nicht nur für die digitale Welt, sondern sie gilt für das Geschäftsmodell einer Bank und einer Sparkasse insgesamt.

Mich würden Kommentare interessieren, gern mit Erweiterungen oder auch Gegenthesen.

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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