
Dr. Jörg Böttcher, Sommer 2021
Verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien – wie etwa die der Agora Energiewende – prognostizieren ein erhebliches Wachstum der Onshore-Windenergie in den nächsten Jahren. Zu Recht?
Ja. Zentral ist, dass die Stromgestehungskosten für Onshore-Windenergie in Deutschland etwa bei 6 Cent/kWh liegen, an sehr guten Standorten auch etwas niedriger. Sodann besteht ein erheblicher Mehrbedarf an Erneuerbarem Strom, um die Vorgaben zur Klimaneutralität zu erreichen.
Im Gegensatz zur Photovoltaik sind die Stromgestehungskosten im Bereich Onshore-Wind relativ konstant geblieben. Woran liegt das?
Windenergie an Land hat nie eine Phase der Überförderung erlebt, im Unterschied zur Photovoltaik. Tatsächlich hat sich die Technik auf vielen Gebieten immer weiter entwickelt, ohne dass es größere Innovationssprünge gab. Am augenfälligsten ist sicherlich, dass die Anlagen immer größer geworden sind, um die besseren Energieerträge in der Höhe nutzen zu können.
Und was bedeutet die Entwicklung der Stromgestehungskosten für die Zukunft der Windenergie?
Stromgestehungskosten für Onshore-Wind liegen derzeit bei etwa 6 Cent/kWh, bei PV um die 4 Cent/kWh. An guten Windstandorten – das geht bei mehr als 2.500 Volllaststunden los – kann Onshore-Windenergie weiter konkurrenzfähig betrieben werden.
Wie stehen die Banken der Onshore-Windenergie gegenüber?
Grundsätzlich positiv: Die meisten Banken haben mehr als ein Jahrzehnt Erfahrungen mit dieser Asset-Klasse und damit ein Gefühl entwickelt, wie die technischen Risiken und das Windrisiko einzuschätzen ist. Allerdings haben sich verschiedene Rahmenbedingungen verändert und zum Teil auch verschlechtert: Verändert haben sich die Förderbedingungen, die oftmals die technische Performance aufgreifen und dann die zukünftigen Cashflows verändern. Das macht zwar die Bewertung komplexer, lässt sich als Kapitalgeber noch erfassen und bewerten. Deutlich verschlechtert haben sich die Rahmenbedingungen, was die Realisierung des Projektes anbelangt: Es gibt kaum eine Anlage, bei der nicht ein Widerspruch angemeldet wird. Das führt dazu, dass Banken nicht die Fremdmittel valutieren können, was die Projektierer enorm unter Druck setzt.
Wie lässt sich denn die Marktsituation von Onshore-Windenergie in Deutschland einschätzen?
Stabil mit positivem Ausblick: Das Ausschreibungsverfahren ist mittlerweile etabliert und auch die Ausschreibungsergebnisse lassen sich recht gut abschätzen. Die Nachfrage nach Erneuerbarem Strom insgesamt wird in den nächsten Jahren enorm steigen – Grund ist der über den „Green Deal“ angekündigte ökologische Umbau der Volkswirtschaften in Europa, und der damit einhergehende Bedarf an grünem Strom, der für Strom, Wasserstoffproduktion und Erneuerbare Wärme benötigt wird.
Ist es sinnvoll, Anlagen, die aus der EEG-Förderung herausfallen, weiter zu betreiben?
Ökologisch wäre das in jedem Fall sinnvoll und auch die Akzeptanz der Bevölkerung wäre wohl vorhanden. Aber häufig wird die Wirtschaftlichkeit einen Strich durch diese Rechnung machen: An der Strombörse lässt sich vielleicht ein Erlös von 3,5 Cent/kWh realisieren, aber die operativen Kosten liegen etwa in der Größenordnung von 3 Cent/kWh. Da ist wenig Spielraum, wenn der Wind etwas weniger bläst oder aber unvorhergesehene Reparaturen anstehen. Und auch die skizzierte gesetzliche Regelung, das ausgeförderte Anlagen an einer eigenen Ausschreibung teilnehmen können, ist bei den kolportierten maximalen Sätzen von 3,8 Cent/kWh keine wirkliche Verbesserung der Situation.
Könnte hier der Abschluss eines Stromabnahmevertrages nicht helfen?
Die Diskussion um das Instrument des Stromabnahmevertrages erlebt derzeit einen Hype. Das liegt daran, dass wir sehen, dass es im Ausland – und auch bei PV-Projekten in Deutschland – erfolgreich eingesetzt wird.
Letztlich ist ein PPA aber nur ein Vertrag, in dem der Stromkäufer dem Stromverkäufer über einen bestimmten Zeitraum Strom – und ggf. grüne Zertifikate – regelmäßig zu einem festen Preis abkauft. Da dies ja einen Risikotransfer darstellt, wird der Verkaufspreis eines PPA niedriger ausfallen als der Börsenpreis. Dies ist also für ausgeförderte Anlagen derzeit keine Option.
Ist denn ein Stromabnahmevertrag dann nicht zumindest ein geeignetes Instrument für neue Onshore-Anlagen?
Eindeutig nein. Hier müssen sich die Regeln eines Stromabnahmevertrages mit der alternativen Vergütung gemäß EEG messen: die derzeitig im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens erzielbaren Vergütungssätze für Onshore-Wind liegen bei etwa 6 Cent/kWh. Durch die im EEG vorgesehene Hebelung ergibt sich damit für einen durchschnittlichen Windpark ein Vergütungssatz von ca. 7 Cent/kWh, das ist wesentlich höher als bei einem PPA. Solange die Spanne zwischen Ausschreibungsergebnissen und Marktwert für Windstrom so hoch ist, ist ein Wechsel in ein PPA-Regime für Onshore-Windanlagen wenig sinnvoll.
Im PV-Bereich ist das anders: 1. Die Ausschreibungsergebnisse für Solarstrom liegen knapp unter 5 Cent/kWh. 2. Bei einem Wechsel aus dem EEG-Vergütungssystem wird man auch etwaige Einschränkungen los, die sich im EEG befinden, so dass der Projektierer eine größere Freiheit in der Realisierung und Vermarktung gewinnt. Da die Stromgestehungskosten von PV-Projekten derzeit zwischen 3,5 und 4 Cent/kWh liegen, ist eine Vermarktung über ein PPA hier eine echte Option.
Also sollten alte Onshore-Anlagen besser abgerissen werden?
So einfach kann man es sich nicht machen. Alle Nachhaltigkeitsstrategien sehen einen enormen Bedarf an einem Ausbau der Erneuerbaren Energien, die nicht nur für die Elektrifizierung, sondern auch für Erneuerbare Wärme oder die Erzeugung von grünem Wasserstoff benötigt werden. Die absehbar zu erwartende Nachfrage sollte neue Vermarktungsoptionen eröffnen, vielleicht nicht jetzt, aber in sehr absehbarer Zukunft.