Aus der Antike zur GmbH

Ein Galopp durch die deutsche Rechtsgeschichte

Thies Lesch, März 2023

I. Der Weg zum römischen Recht

Anders als Mesopotamien oder Ägypten, und auch später bei den Römern, existierte im antiken Griechenland kein einheitliches Recht. Jeder Stadtstaat hatte seine eigene Rechtsordnung, die jedoch typische Gemeinsamkeiten mit den anderen Stadtstaaten aufwiesen.[1]

Im Gegensatz zu dem griechischen Recht ist das römische Recht ein Juristenrecht und kein Gesetzesrecht. Dennoch wird die tausendjährige Römische Rechtsgeschichte eingerahmt von dem Zwölftafelgesetz (451 v. Chr.) und Justinians Kodifikation (528 – 534 n. Chr.).[2]

Das Zwölftafelgesetz war das Ergebnis von Spannungen zwischen Arm und Reich und hatte im Kern die Aufgabe die Plebejer (Arm) vor der Willkür der Patrizier (Reich) zu schützen. Das Gesetz wurde also veröffentlicht zum Zwecke der Herstellung von Rechtssicherheit.[3]

Mit dem Wachstum von Rom zur Großstadt entwickelte sich zwei Jahrhunderte nach dem Zwölftafelgesetz die Kriminaljustiz. Das Zivilrecht war nicht mehr ausreichend, um Kriminalität zu bekämpfen bzw. Bestrafung zu regeln. Und so erfolgt die Ausgliederung des Strafrechts aus dem Zivilrecht.[4]

„Im Zivilrecht haben die Römer das Weltmuster eines Rechts geschaffen, das gegründet ist auf das Privateigentum und den freien Willen.“[5] Auch wenn die Begrifflichkeiten sich unterscheiden, so sind es im Kern fünf Elemente, die für das Ganze strukturprägend sind: Rechtssubjekt, Familie, Eigentum, Vertrag, Delikt. Die Römer haben des Weiteren den juristischen Eigentumsbegriff geschaffen. Sie ordneten eine Sache „einzig und allein zu einer Person in der Weise, dass ausschließlich sie darüber frei verfügen kann, unter Lebenden und von Todes wegen.“[6] Auf diese Weise haben sie zudem das dingliche Recht erfunden.

II. Der Wandel des Rechts im Mittelalter

Im Hochmittelalter begann sich das Deliktsrecht weiter zu entwickeln. So wurde ein Teil der Delikte bzw. der Tatbestände vom Strafrecht erfasst (und dementsprechend mit Strafe bewehrt) und der verbleibende Teil, vormals als Privatstrafe bezeichnet, entwickelte sich zum Schadensersatz. Dieselbe Entwicklung vollzog sich bereits deutlich früher im antiken römischen Reich.[7]

Auch die Art und Weise, wie Gerichtsverfahren geführt wurden änderte sich im späten Mittelalter. Das Gericht selbst eröffnete nunmehr eine Untersuchung und sodann das Verfahren, und nicht mehr der Geschädigte erhob Klage vor Gericht. Die Rolle der Richter entwickelte sich vom Schiedsrichter zum Inquisitor, dem Untersucher.[8]

In der Wende zum 19. Jahrhundert war die politische Landkarte Mitteleuropas das Ergebnis von Jahrhunderten andauernden Prozessen von Teilung und Vereinigung durch Kriege, Hochzeiten, Schenkungen oder Erbfolge. Die Staaten waren nicht im heutigen Sinne territorial abgerundet; nahezu jeder Staat verfügte über Exklaven oder Streubesitz außerhalb der Landesgrenzen. Bis zum Ende des 18. wurde Herrschaft nicht im Kontext zusammenhängender Territorien gedacht, sondern als Einflussbereich und als Geltungsbereich von Rechtsordnungen.[9]

Das Recht der Gegenwart erfüllt im Wesentlichen vier Funktionen[10]:

  1. Ordnungsfunktion
  2. Gerechtigkeitsfunktion
  3. Herrschaftsfunktion
  4. Herrschaftskontrollfunktion

Die Ordnungsfunktion ist sicherlich eine Ausprägung der Herrschaftsfunktion, aber nicht die Einzige. Herrschaft umfasst nicht nur Schaffung und Aufrechterhaltung von Ordnung, sondern auch die Erhaltung der Herrschaft. Die Gerechtigkeitsfunktion bildet insbesondere die moralische und soziale Funktion von Recht ab, wobei durch Ordnung und/oder Herrschaft diesem Maßstab durchaus Grenzen gesetzt sein können. Die Herrschaftskontrollfunktion ist ein wesentliches Element konstitutioneller Staatsformen, bei sich der Staat die Rahmenbedingungen hierfür selbst geschaffen hat.

III. Vom deutschen Bund zum deutschen Reich

Dem Frieden von Tilsit (1807) (Vierter Koalitionskrieg, Deutschland/Russland gegen Frankreich) ging im Oktober 1806 der Sieg von Napoleon über das preußische Heer voraus. Bereits 1803/1804 wurden die linksrheinischen deutschen Gebiete in die französische Départementverwaltung integriert und es wurde dort umgehend französisches Recht eingeführt und damit die Gesetzessammlung von Napoleon, dem Code Civil bzw. dem Code Napoleon. Nach dem Frieden von Tilsit wurde dieses Gesetzbuch auch rechtsrheinisch wirksam.[11]

In dieser Zeit war Deutschland im Vergleich zu England und Frankreich noch ein unterentwickeltes Agrarland. Ein wesentliches Momentum für den Fortschritt resultierte ab 1807 die Bauernbefreiung, die ihrerseits notwendigen Arbeitskräfte für die industrielle Revolution freisetzt. Weitere Reformen wie beispielsweise Gewerbefreiheit, Bodenfreiheit, Schulpflicht, Wehrpflicht und Humboldtsche Hochschulreform folgen. Der preußische Staat entlässt die Wirtschaft in die selbstregulierte Freiheit, dem Vorbild Adam Smiths folgend (Reichtum der Nationen, 1779).[12]

Als eine zusammenfassende Organisationsform der fragmentierten, deutschsprachigen Staaten wurde 1815 der Deutsche Bund gegründet. Dieses war in dem Sinne kein Staatengebilde, sondern eine institutionalisierte Organisationsform, über die Abstimmungen zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten erfolgen konnten. Motivation zur Gründung des Deutschen Bundes lag in dem Bestreben, die Liberalisierungstendenzen aufzuhalten. Erst die Revolution von 1848/49 führte zu einer ersten gesamtdeutschen Nationalversammlung, die jedoch ohne die Habsburger Monarchie als kleindeutsche Lösung auskam. Es trat im Mai 1848, überwiegend mit Vertretern des Bürgertums besetzt, in der Frankfurter Paulskirche zusammen und verkündete nach umfassender Beratung im März 1849 eine deutsche Reichsverfassung.[13]

Auch wenn diese sogenannte Paulskirchenverfassung niemals in Kraft getreten ist, beinhaltet sie doch wesentliche Elemente als Grundstock der deutschen Demokratie, die zu einem späteren Zeitpunkt (1871) aufgegriffen wurden. Zentral ist wohl der Katalog der Grundrechte für die Bürger (u.a. Gleichheit vor dem Gesetz), der dem Zeitgeist dem politischen Bestreben des deutschen und europäischen Liberalismus Ausdruck verlieh – und die bis heute im deutschen Grundgesetz enthalten sind. Die Revolutionäre waren sich nicht einig, aber ihre Themen und Thesen blieben auf der politischen Agenda.[14]

Mit Ende des 18. Jahrhunderts setzte eine Debatte über die bürgerliche Gesellschaft und damit die Grenzen des staatlichen Handels ein. Interessanterweise war hier nicht das Wirtschaftsbürgertum, also die Kapitaleigner, der Treiber, sondern die gesellschaftlichen Gruppen, die wissenschaftlich, literarisch, künstlerisch oder religiös motiviert eine Skepsis gegenüber der wachsenden Staatsmacht entfaltet haben.[15] Dies ist insofern bemerkenswert, als dass die neu gefundene Balance zwischen dem Staat und seinen Bürgern, die letztlich auch dann die Kapitaleigner stärkte und schützte, eben nicht von diesen ausgegangen ist.

Aus dem absolutistischen Zeitalter stammte das Weltbild aus Obrigkeit und Untertanen, welches erst durch die Aufklärung aufgelöst wurde. Der Bürger war nicht mehr nur Verfügungsmasse des jeweilig herrschenden, sondern eine selbständige Personen, die aktiv am öffentlichen Geschehen beteiligt werden musste. Der Bürger ist vernunftbegabt und daher „nicht nur imstande, sondern auch berechtigt und verpflichtet, [..] an der Verwirklichung einer aufgeklärten Gesellschaft nach besten Kräften mitzuwirken.“[16]

Immanuel Kant schuf 1797 (Metaphysik der Sitten) die Rechtsdefinition der bürgerlichen Gesellschaft: „Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“[17]

Die erstrittenen Grundrechte sind ein Ergebnis der bürgerlichen Revolutionen, die zum Ende des 18. Jahrhunderts stattgefunden haben und so ihren Niederschlag in den modernen Verfassungsstaat gefunden haben.

Das Prinzip der Grundrechte ist kein Neues, zumal es in der Geschichte schon seit langem verschiedene Rechte gab, die eine bestimmte Freiheit oder einen bestimmten Schutz garantierten. Diese Rechte hingen regelmäßig an dem Souverän und konnten als Privileg gewährt und auch – beispielsweise als Strafe – entzogen werden.

Die Neuigkeit besteht also in der systematischen Ausweitung dieser Rechte und in ihrer Objektivierung. So nennt die in Virginia verabschiedete „Bill of Rights“ aus dem Jahr 1776 als Grund für die Grundrechte: „von Natur aus“ („by nature“). Vergleichbar findet sich in der französischen „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ aus dem August 1789 im Artikel 1, die Menschen frei und gleich an Rechten geboren sind. („Les hommes naissent et demeurent libres et égaux en droits.“)[18]

Die Kodifizierung und Objektivierung von Recht, also die Loslösung von der Herrscherfigur als Rechtsstifter und Rechtsprecher, führt zu einer Ausbreitung von Recht in die Gesellschaft und in die Politik hinein. Diesen Prozess bezeichnet man heute als Verrechtlichung.[19]

Abbildung 1 – Gesamtprozess der Entwicklung von Recht nach Wesel

Die grundlegenden Freiheitsrechte einer bürgerlichen Gesellschaft wirken in zwei unterschiedliche Richtungen. Auf der einen Seite bedeutet die Freiheit, dass niemand in seiner persönlichen Entfaltung und in seinen Möglichkeiten behindert wird. Diese Freiheit ist die geistige Quelle der Vertragsfreiheit und damit in gewisser Weise des Privatrechtes.

Die andere Seite der Freiheit ist eine Schutzfunktion, in dem Sinne, dass diese Freiheit bzw. die mit dieser Freiheit verbundenen Rechte auch verteidigt werden müssen. Es lassen sich nicht sämtliche Konflikte durch bilaterale Vereinbarungen des Privatrechtes lösen. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und wird als öffentliches Recht kodifiziert, damit es unter anderem auch die Freiheitsrechte schützen und verteidigen kann.[20] Zu diesem öffentlichen Recht zählt auch das Strafrecht.

Der Begriff des Rechtsstaats tauchte erstmals Ende des 18. Jahrhunderts auf und wurde maßgeblich geprägt durch Robert von Mohl in seinem „Staatsrecht des Königreichs Württemberg“ (1829/1831), in dem es die Menschenrechte und die Gewaltenteilung kodifizierte. Die Menschenrechte „Freiheit“ und „Eigentum“ sind die Säulen der bürgerlichen Gesellschaft, in die der Staat nur auf Grundlage von geltenden Gesetzen eingreifen darf. Diese Gesetze sind durch (zumindest indirekte) Mitwirkung der Bürger über das Prinzip der Gewaltenteilung entstanden.[21]

So werden die ordentlichen Gerichte „das einzige Schutzmittel der bedrohten persönlichen Freiheit, des gefährdeten Eigenthums, kurz alles dessen, was in irgend einer Art für den Staatsbürger von Werth und Bedeutung ist.“[22]

IV. Ein bürgerliches Gesetz für eine bürgerliche Gesellschaft

Am 1. Januar 1900 ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Kraft getreten. Es ist das zivilrechtliche Kernstück der bürgerlichen Gesellschaft. Die wesentliche Vorarbeit dafür hat im 19. Jahrhundert stattgefunden und ist auf Friedrich Carl von Savigny zurückzuführen, sowie auf das deutsche Pandektenrecht.[23]

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat über das Pandektenrecht auch Teile des antiken Rechts und des Naturrechtes übernommen. Beispielhaft besiedelt Begriff der Willenserklärung zu nennen oder auch die Regeln für die Stellvertretung. Das sogenannte Pandektensystem mit den fünf Teilen (Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Schuldrecht, Familienrecht, Erbrecht) wurde zu ins BGB übernommen, wobei die Reihenfolge von Sachenrecht und Schuldrecht ausgetauscht wurde. Das Pandektenrecht blieb in weiten Teilen Deutschlands ein rein theoretisches Konstrukt, welches ausschließlich an Universitäten gelehrt wurde aber aufgrund des kodifizierten Landesrechts keine praktische Relevanz hatte. Trotzdem bildete es einen Höhepunkt der deutschen Rechtswissenschaften. Die wichtigste Veränderung im Zivilrecht dieser Zeit war Durchsetzung der Vertragsfreiheit, die dem wirtschaftlichen Gedankengut des Adam Smith folgte („Wealth of Nations“, 1776) und wesentlich für die Liberalisierung der Wirtschaft und dem Zurückdrängen des Staates war.[24] Zuvor war beispielsweise die Gewerbefreiheit erheblich durch Gilden, Innungen und Zünfte eingeschränkt. Und vor der Bodenfreiheit war ein Großteil des Grundbesitzes durch adelige Bindung unverkäuflich.

Ein wichtiges Element der bürgerlichen Gesellschaft war, neben der Einführung der Vertragsfreiheit, die Einführung der allgemeinen Rechtsfähigkeit. Jeder Bürger konnte in gleicher Art und Weise Träger von Rechten und Pflichten sein. Das Pandektenrecht im 19. Jahrhundert schuf darauf aufbauend die juristische Person, so wie wir sie heute kennen, anhand der Aktiengesellschaft. Auch die Stellvertretung wurde allgemein anerkannt.[25]

V. Die Ursprünge von Kapitalgesellschaft und Haftungsbegrenzung

Ein wesentlicher Baustein und Erfolgsfaktor der modernen Wirtschaftsformen, die wir heute kennen, ist auf die Einführung von Haftungsbeschränkung in den unternehmerischen Gesellschaften zurückzuführen. So liegen die Ursprünge der deutschen Kommanditgesellschaft unmittelbar in der italienischen Commenda des Mittelalters. Hier war die Grundidee, die Gewinne nach eingebrachtem Kapital und eingebrachter Arbeitsleistung zu verteilen. Diese Risikotrennung kam beispielsweise zwischen Partnern mit Haftungsbeschränkungen bei den gefährlichen Seereisen zum Einsatz, die – bei vorhandenem Risiko des Totalverlustes – im Erfolgsfall sehr lukrativ gewesen sind. Norditalienische (Hafen-)Städte, wie beispielsweise Genua und Venedig verdanken ihren Reichtum und Erfolg nicht zuletzt auch diesem Modell.[26]

Hieraus entwickelte sich dann die Aktiengesellschaft. Als weltweit erste Aktiengesellschaft gilt die Vereinigte Ostindische Gesellschaft, die 1602 in den Niederlanden gegründet wurde. Diese Gesellschaft organisierte große Teile internationalen Handels der Niederländer und brachte zwei Jahrhunderte an Wohlstand.

Für das weitere Wachstum des Unternehmens wurden dann im Jahr 1616 breitflächig Aktien ausgegeben, deren Inhaber ebenfalls nur mit ihren Einlagen hafteten. Dies waren dann die ersten Aktien der Welt. Auch die britische Ostindische Gesellschaft folgte diesem Vorbild.[27]

Am 9. November 1843 trat in Preußen das erste Aktiengesetz in Kraft. Es regelte die Rechtsform der juristischen Person, es regelte die Aktienemission und begrenzte die Haftung auf das eingesetzte Eigenkapital. Über diese Rechtsform war es dann möglich das notwendige Kapital einzusammeln, um das Eisenbahnwesen in Deutschland aus- und aufzubauen. Großbritannien folgte 1844, führte die Haftungsbeschränkung jedoch erst 1855 ein. Ab 1862 war in Großbritannien auch Haftungsbeschränkung möglich für Gesellschaften, die keine Aktiengesellschaften waren. In den USA begann die Haftungsbeschränkung auf Ebene einzelner Bundestaaten, zum Beispiel im Staat New York im Jahre 1811.[28]

Das Konstrukt der Kapitalgesellschaft als juristische Personen hat also erst ermöglicht über eine breite Basis von Anteilseignern das notwendige Kapital für Investitionen und die damit verbundenen Geschäftsmodelle einzusammeln. Das Geld sowohl für den Seehandel im Mittelalter, wie auch für den Eisenbahnbau und den weiteren Fortgang der Industrialisierung.

Aber es ist auch diese Haftungsbeschränkung, die eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen einer natürlichen Person als Träger von Rechten und Pflichten und eine juristischen Person, die ebenfalls Träger von Rechten und Pflichten sein kann, aber nur durch natürliche Personen, ihre Organe, wirken kann.

Im alten Rom waren Sklaven zwar geschäftsfähig, aber nicht rechtsfähig. Ihre Handlungen entfalteten also Wirkung im Namen ihres Eigentümers. Dieses Prinzip wurde dann auch auf Gewerbebetriebe ausgedehnt und dann auch auf freigelassene bzw. frei geborene Angestellte. Erst im 19. Jahrhundert ist daraus die Dogmatik der Stellvertretung entwickelt worden.[29]

Das erste allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch wird durch den Deutschen Bund 1861 geschaffen, jedoch nur von den meisten Bundesstaaten als Landesgesetz eingeführt. Die wichtigste Neuerung in dem Gesetzeswerk war die Entstehung der modernen Aktiengesellschaft, die über ihre Kapitalsammelfunktion erst viele Großprojekte der Industrialisierung ermöglichte.

1892 verabschiedete der Reichstag das GmbH-Gesetz, um über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Lücke für mittelgroße Betriebe zu schließen, die zwischen den großen Kapitalgesellschaften den kleinen kaufmännischen Betrieben entstanden ist.[30]

Der große wirtschaftliche Erfolg der Neuzeit, also insbesondere die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, führte dazu, dass das Schuldrecht ausgeweitet wurde. So sind Schadensersatz, sowie vertragliche und deliktische Haftung laufend weiterentwickelt worden, als Folge des großen Wachstums in Produktion, Handel und Verkehr. Eine große Bedeutung hatte 1968 die Einführung der Produzentenhaftung, „die zwar technisch über das Deliktsrecht gelöst wurde, systematisch aber zum Vertragsrecht gehört.“[31] (Das Produkthaftungsgesetz, ProdHaftG, regelt den Schadensersatz aus Delikt (siehe §823 BGB), schafft aber zugleich eine Beweislastumkehr durch Haftungsausschlussgründe.)

Die Vertragsfreiheit wurde im Laufe der Jahrzehnte zugunsten von Schutzrechten eingeschränkt. So wurde das Arbeitsrecht weiterentwickelt, in dem 1952 das Kündigungschutzgesetz und das Mutterschutzgesetz erlassen wurden. 1963 folgte das Bundesurlaubsgesetz.

Der Versuch ein eigenständiges Unternehmensstrafrecht einzuführen (Verbandssanktionsgesetz, VerbSanG) ist in der Vorgängerregierung (Koalition aus CDU und SPD) im Oktober 2020 daran gescheitert, dass der Regierungsentwurf trotz entsprechender Planung nicht in den Bundestag zur ersten Lesung eingebracht wurde.[32] Wie sich die aktuelle Nachfolgeregierung dazu stellt, bleibt abzuwarten.

Literaturverzeichnis

Berg, Rudolf et al (1988): Grundkurs Deutsche Geschichte: Ein Lehr- und Arbeitsbuch für die Kollegstufe in Bayern. Band 1: 1800 – 1918. 4. Auflage. Cornelsen, Berlin. URL: https://epub.ub.uni-muenchen.de/4935/1/4935.pdf [Stand: 23.09.2020]

Brinkmann, Rudolf (1831): Wissenschaftlich praktische Rechtskunde. Eine Sammlung von Erörterungen aus dem Gesammtgebiete der in Deutschland geltenden Rechte. Erster Band. Druck und Verlag des königlichen Taubstummen-Instituts, Schleswig.

Grimm, Dieter (1988). Die Grundrechte im Entstehungszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft, in: Kocka, Jürgen (Hrsg), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Band 1, Seiten 340ff.

Keane, John (1988). Despotismus und Demokratie. Über die Unterscheidung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat 1750 – 1850, in: Kocka, Jürgen (Hrsg), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Band 1, Seiten 303ff.

Ogorek, Regina (1988). Individueller Rechtsschutz gegenüber der Staatsgewalt. Zur Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, in: Kocka, Jürgen (Hrsg), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Band 1, Seiten 372ff.

Osterhammel, Jürgen (2012): 1800 bis 1850. In: Das 19. Jahrhundert (1800-1914), Informationen zur politischen Bildung, Nr. 315/2012, Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.

Sinn, Hans-Werner (2009): Kasino Kapitalismus. Wie es zur Finanzkrise kam, und was jetzt zu tun ist. Econ/Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.

Wesel, Uwe (1997): Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zum Vertrag von Maastricht. Verlag C.H. Beck, München


[1] Vgl. Wesel, S. 117

[2] Vgl. Wesel, S. 154f.

[3] Vgl. Wesel, S. 159

[4] Vgl. Wesel, S. 167

[5] Wesel, S. 156

[6] Wesel, S. 185

[7] Vgl. Wesel, S. 329

[8] Vgl. Wesel, S. 335

[9] Vgl. Osterhammel, S. 4

[10] Vgl. Wesel, S. 49

[11] Vgl. Berg, S. 18

[12] Vgl. Wesel, S. 409

[13] Vgl. Osterhammel., S. 12

[14] Vgl. Berg, S. 41

[15] Vgl. Keane, S.336

[16] Ogorek, S. 379

[17] Wesel, S. 45

[18] Vgl. Grimm, S. 340f.

[19] Vgl. Wesel, S. 47

[20] Vgl. Grimm, S. 365

[21] Vgl. Wesel, S. 417f.

[22] Brinkmann, S. Xf

[23] Vgl. Wesel, S. 411

[24] Vgl. Wesel, S. 437

[25] Vgl. Wesel, S. 439

[26] Vgl. Sinn, S. 83

[27] Ebd.

[28] Vgl. Sinn, S. 84f.

[29] Wesel, S. 207f.

[30] Vgl. Wesel, S. 442f.

[31] Wesel, S. 535

[32] https://www.haufe.de/compliance/recht-politik/verbandssanktionengesetz_230132_515536.html (abgerufen am 22.11.2022)

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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