
In den Metropolregion Deutschlands hat sich – nicht zuletzt auch durch die Corona Pandemie – ein regelrechter Hype um Lebensmittellieferdienste entwickelt.
Zunächst kamen Startups mit digitalen Plattformen als Kern ihres Geschäftsmodells auf den Markt und hatten einen starken Fokus auf Bequemlichkeit und Schnelligkeit gelegt. (Der Ursprung ihres Geschäftsmodells bestand in einer Weiterentwicklung der Essenslieferdienste.)
In der Folge ist dann auch der Lebensmitteleinzelhandel in die Belieferung ihrer Kunden mit Produkten aus ihrem traditionellen Sortiment eingestiegen. Der Fokus der Initiative des Lebensmitteleinzelhandels dürfte darauf liegen eine Abwanderung von Kunden an andere Anbieter, hier speziell Lieferdienste, zu verhindern.
Gegenwärtig sind Discounter nicht in den Markt der Lieferdienste eingetreten was vermutlich auf die Preissensibilität der typischen Kundschaft eines Discounters zurückzuführen ist. Möglicherweise können Discounter jedoch ein Interesse daran haben, im Zuge einer Konsolidierung dieses Teilmarktes, zu einem späteren Zeitpunkt einen Anbieter günstig zu übernehmen und dann so das eigene Angebot entsprechend zu ergänzen.
Ein Getränkelieferant, der beispielsweise von einem Lebensmittelhersteller übernommen wurde, erweiterte in dem Zuge dieser Übernahme sein Sortiment um Produkte des klassischen Lebensmitteleinzelhandels. Hier dürfte es vor allem der Muttergesellschaft darum gehen, einen eigenen Zugang, am traditionellen Lebensmitteleinzelhandel vorbei, zu den Endkunden der Produkte des eigenen Sortiments zu bekommen. (Zumal sich die meisten Lebensmittel nicht für einen Versandhandel im großen Stil eignen; dies gilt für Tiefkühlprodukte umso mehr.) Die zusätzliche Stärke in diesem Geschäftsmodell liegt darin, dass die Großkundenrabatte, die typischerweise für den Absatz der eigenen Produkt einen Lebensmitteleinzelhandel gewährt werden müssen, somit in der eigenen Wertschöpfungskette verbleiben können. Das kann, bei entsprechendem Absatzmix, dem Geschäftsmodell eine zusätzliche Resilienz verleihen.
Insgesamt ist festzuhalten dass die Differenzierung zwischen den Angeboten der verschiedenen Anbietern schwindet. Aus diesem Grund dürfte zu erwarten sein, dass die Unternehmensbewertungen von allein digital getriebenen Geschäftsmodellen tendenziell sinken werden. Ebenso darf unterstellt werden, dass der Wettbewerb in den besetzten Metropolregion durch die Anbieter insgesamt intensiver werden dürfte. Für weitere bestehende Lieferdienste, die heute noch spezialisiert oder aus einer Gesamtsortimentssicht Nischenanbieter sind, kann es tatsächlich notwendig werden, das eigene Angebot zu verbreitern, um nicht am Kunden an Relevanz zu verlieren. Ich denke hier beispielsweise an die Tiefkühllieferdienste, die zwar zum LEH differenzierte Produkte des Tiefkühl-Segmentes anbieten, aber am Ende nur einen Ausschnitt des Sortiments des Lebensmitteleinzelhandels anbieten, der nunmehr auch bis zur Haustür des Kunden gelangen kann.
Für alle Marktteilnehmer hat die Logistik hierdurch an Stellenwert gewonnen: sie wurde und wird komplexer und kostspieliger. Dies liegt an notwendiger Weise steigender Lagerhaltung, an der (gegebenenfalls) Einführung und Betrieb einer Kühlkette, entsprechenden Investitionen in die Fahrzeugflotte und insbesondere notwendige Investitionen in eine top moderne Warenwirtschaft.
Ein Ausweichen der Marktteilnehmer in das Premiumsegment dürfte vermutlich schwierig sein, weil zum einen in diesem Segment dem wertigen Shoppingserlebnis vor Ort eine hohe Bedeutung zukommt und zum anderen ein wichtiger Teil des Premiumsegmentes auch frische Produkte sind. Ein Abdecken des Premiumsegmentes wäre damit nur in Teilausschnitten möglich.
Eine sinnvolle Möglichkeit könnte hingegen die Rückbesinnung auf (gegebenenfalls auch historische) Kernkompetenzen sein, um die Komplexität und damit vor allem die Kosten in dem Unternehmen zu senken. Dies wäre eine wichtige Voraussetzung, um auch in einem Preiskampf profitabel bestehen zu können. Gleichzeitig erlaubt eine günstigere Kostenstruktur als der Wettbewerb auch, das Geschäft über Metropolregion in beispielsweise mittelgroße Städte in erfolgreich auszudehnen und auch damit einem Teil des Wettbewerbes aus dem Weg zu gehen.
In diesem Wettbewerb werden sich, wie sonst auch, die Anbieter durchsetzen, die die den größten Querschnitt der Kundenbedürfnisse am besten abdecken können. Die Marktteilnehmer, die einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil mit einbringen können, dürften hierbei den längsten Atem aufweisen. Während rein digital getriebene Geschäftsmodelle das Risiko aufweisen über kein weiteres Standbein zu verfügen, stellt sich für Konzerne – wie oftmals an anderer Stelle auch – nach einer Zeit die Frage nach einer Relevanz der Aktivitäten aus Sicht des Konzernportfolios. Das bedeutet: Wenn der Markt nicht wächst und sich nicht entwickelt, werden sich die Konzerne über kurz oder lang zurückziehen und es kann eine attraktiver Nischenmarkt werden. Wenn sich der Markt jedoch entwickelt, was stand heute aufgrund der Konsumgewohnheiten eher wahrscheinlich ist, dann werden die historischen Platzhirsche vermutlich das notwendige Geld in die Hand nehmen und nehmen können, um für sich den Markt zu sichern.
Dies alles wird selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Entwicklung der Preise im Laufe der Zeit haben und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die Preise den Ladenpreisen annähern. Vorstellbar scheint mir dann ein separater Ausweis der Lieferung als eigene Dienstleistung oder ein prozentualer Aufschlag auf den Einkauf um die Lieferung abzugelten. Je näher dieser Teilmarkt an den klassischen Lebensmitteleinzelhandel heranrückt, desto stärker werden vermutlich auch die Spielregeln dieses Marktes zur Anwendung gelangen und gelangen müssen. (Und dies gilt dann auch für Angebote, Preisvergleiche, etc.)
Das könnte in der Folge dann jedoch wieder Luft schaffen für ein Geschäftsmodell, das es dem Kunden ermöglicht aus verschiedenen Supermärkten das Sortiment zusammenzustellen oder gegebenenfalls sogar einen persönlichen Einkaufsagenten in einen Supermarkt oder auf den Markt zu entsenden – gegebenenfalls sogar mit einer Liveübertragung im Stream…
Anmerkung: Auf die Nennung von Unternehmensnamen wurde bewusst verzichtet.
