Entwicklung von Rolle, Person und Persönlichkeit des Firmenkundenberaters

von Hans-Georg Presser

Die Rolle des Firmenkundenberaters hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. In 80iger und 90er Jahren war der Firmenkundenberater erster Ansprechpartner des „Kreditantragstellers“. Er beriet den Kunden, formulierte den Kreditantrag, oft verbunden mit einer eigenen Kreditkompetenz und erstellt mit Unterstützung seiner Sachbearbeiter sogar die Kredit- und Sicherheitendokumentation. Er beantragte u.a. Förderdarlehen, deckte Kredite ein, eröffnete Konten und prüfte auch Legitimationen. Kurzum, das Aufgaben- und Verantwortungsspektrum des Beraters, insbesondere in Bezug auf die laufende Kreditadministration war breit gefächert und auch sehr bearbeitungslastig.

Der Firmenkundenberater war aufgrund seiner Kreditexpertise bei den Kunden aber auch innerhalb Bankorganisation hoch angesehen. Er verfügte über eine traditionelle und breite Kreditausbildung, ein tiefen Einblick in die Zahlenwelt des Kunden und oft auch über einen sehr langjährigen Erfahrungsschatz – denn der Weg zum Firmenkundenberater war durchaus lang und steinig. Oft wurden die besten und bewährtesten Kreditsachbearbeiter zum Firmenkundenberater befördert.

Natürlich brachte das breite Aufgabenspektrum auch viele Herausforderungen und Probleme mit sich. Denn einerseits musste der Betreuer eine hohe Kunden- und Beratungsintelligenz aufweisen und andererseits die entsprechende Präzision für die formale Umsetzung des Kreditprozesses. Diese Fähigkeiten waren jedoch nur selten in einer Person vereint.

Auch zeigte der Begriff „Kreditantragsteller“, den man damals tatsächlich in vielen internen Verwaltungsanweisungen fand, dass ein aktiver und breiter Produktvertrieb respektive die Neukundenakquisition nicht unbedingt im Mittelpunkt seines Handelns standen. Mit dem Erreichen eines gewissen Kundenstamms war der Betreuer oft ausgelastet und konnte mit seinem Kundenstamm die damals nicht immer sehr ambitiösen Zielvorgaben gut erreichen. Auch war die Beratung auf den Kredit ausgerichtet, denn durch seine traditionelle Kreditausbildung fühlte man sich insbesondere in diesem Produktbereich sehr wohl.

Hinzu kam, dass das Produktangebot der Banken im Vergleich zu den heutigen Angeboten deutlich differenzierter war. Spätestens bei Fragen z.B. zum Auslandsgeschäft und der möglichen Absicherungen von Im- und Exportgeschäften wurde oft ohne Erstberatung der Kontakt zu den Spezialisten in den Spitzeninstituten oder der Zentrale gesucht. Auch vermied man unbekannte Produktfelder aktiv beim Kunden anzusprechen, da das entsprechende Beratungs- und Produkt-Know-How in vielen Fällen nur begrenzt vorhanden war.

Spätestens mit Einführung der Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MAK) im Jahr 2003 durch das Bundesamt für Finanzdienstleistungen, die auch Vorschriften für den organisatorischen Aufbau eines Kreditinstitutes beinhalten, hat sich die Rolle des Firmenkundenberaters deutlich verändert. Durch die funktionale Trennung von Markt- und Marktfolge sowie der Kreditrisikoüberwachung kam es zu klareren Trennungen von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen. Zwar ist der Firmenkundenberater weiterhin Bestandteil des Kreditentscheidungsprozesses, jedoch obliegt z.B. die Aufbereitung der Bonitätsunterlagen und deren inhaltliche Prüfung nun den Kollegen der Marktfolge.

Hinzu kommt eine deutlich veränderte Renditedynamik mit Einführung der Baseler Richtlinien und der damit verbundenen Anpassungen in Bezug auf die notwendige Eigenkapitalunterlegung von Kreditengagements. Mit der Einführung von Basel II veränderte sich die Bankensteuerung insbesondere in Bezug auf die Ressource Eigenkapital und der damit verbundenen Rentabilität erheblich. Die nun seit 2013 gültigen Bestimmungen der Basel III – Richtlinie als Reaktion auf die Finanzmarktkrise 2007 bringen weitere Anforderungen mit sich, so dass die „neue“ Rentabilität eines Kreditinstitutes zunehmend dessen Handlungsspielräume für die Zukunft bestimmt.

Natürlich veränderten diese Rahmenbedingungen auch die Vertriebsstrategien und die damit verbundene Rolle der Firmenkundenberater in den Banken. Dessen Aufgabe ist es nun, sich auf den Kunden, den Vertrieb und die Rentabilität der Geschäftsverbindungen zu konzentrieren. Damit wurde zwar der Verantwortungsbereich eingeengt aber auch betriebswirtschaftlich sinnvoll auf den Vertrieb fokussiert.

Die Entscheidung Markt oder Marktfolge war in der Übergangsphase für viele Berater eine Zäsur. Gut ausgebildete Kundenberater entschieden sich nicht selten für Aufgaben in der Marktfolge, da die nun sehr vertriebsorientierten Themen in den Marktbereichen einen anderen Beratertyp erforderten – mit einer ausgeprägten Vertriebs- und Kundenorientierung.

Spätestens mit Einführung von Basel II und der damit verbundenen Ratingklassifizierung von Firmenkunden mussten Kreditengagements weiter optimiert und Preise in Anlehnung an das jeweilige Adressausfallrisiko teilweise neu verhandelt werden. Auch die Akquisition von neuen bonitätsstarken Kunden zur sukzessiven Optimierung der Kundenportfolien sowie der Vertrieb eigenkapitalschonenden Produkte rückte zunehmend in den Fokus der Marktbereiche. Die Anforderungen an den neuen Beratertyp veränderten sich damit grundlegend. Er ist zwar weiterhin erster Ansprechpartner des Kunden, jedoch mit einer deutlich reduzierten eigenen Kreditkompetenz.

Er ist insbesondere:

  • aktiver Verkäufer, Themen-, Termin- und Produktmanager zwischen der Bank und dem Kunden,  
  • Koordinator, Vermittler und Kundenlobbyist für alle Produkt- und Risikothemen innerhalb der Bank (zwischen Markt-, Marktfolge- und den Produktbereichen),
  • Unternehmer im Unternehmen mit klaren Zielvorgaben und einer transparenten Ergebnismessung.

Schnell denkt man bei diesen Attributen an den klassischen Strukturvertrieb. Dies ist jedoch mit Nichten der Fall, da einerseits der Firmenkundenberater weiterhin auch das Risiko in Abstimmung mit der Marktfolge im Blick haben muss und er andererseits auch über einen fachlich guten Überblick über die oft sehr breite Produktpalette der Bank bzw. der Kooperationspartner benötigt.

Naturgemäß benötigt der Berater auch eine ausgeprägte persönliche Kompetenz im Umgang mit den Kunden. Eine hohe Empathie, eine gute Portion Sozialkompetenz, kommunikatives Geschick sowie ein starken Vertriebsoptimismus sind dabei die wesentlichen Merkmale. Vertrieb ist und bleibt – trotz aller möglichen technischen Hilfsmittel – ein Prozess zwischen Menschen. Sympathien und Respekt gehören weiterhin zu den Grundpfeilern des Verkaufens.

Auch gibt es wie in jeder Organisation bei den Beratern in Bezug auf die speziellen Ausprägungen der jeweiligen persönlichen und fachlichen Kompetenz durchaus sehr unterschiedliche Ausprägungen und Typen, was auch vorteilhaft ist. Denn auch auf Kundeseite wird es immer sehr unterschiedliche Ansprechpartner geben, um deren Sympathie der Verkäufer wirbt.

Aus Banksicht ist es jedoch wichtig, ein hohes einheitliches und ausbalanciertes  Vertriebsniveau bei allen Beratern trotz der unterschiedlichen Ausprägungen zu erreichen, um die vorhandenen Produkt- und Kundenpotentiale in Breite auch erkennen und nutzen zu können. So ist es u.a. wichtig dem sehr kommunikativ geprägten Berater Hilfsmittel an die Seite zu stellen, die ihm die notwendige Stringenz und Präzision im Vertriebsprozess ermöglichen. Gleichzeitig braucht der eher analytisch und fachlich geprägte Betreuer eher kreative Unterstützungen für seinen Verkaufserfolg.

Der hohe Wettbewerb um den Firmenkunden in Deutschland sowie die vorhandenen Restriktionen der Banken- und Produktregulierung erschweren seit einigen Jahren die Rahmenbedingungen des Firmenkundeberaters zusätzlich. Damit kommt der aktiven Konzentration des Beraters auf den Vertrieb sowie der weiteren Professionalisierung des Vertriebs eine besondere Bedeutung zu.

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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