
In meiner Ausbildung habe ich viel Zeit am Schalter verbracht und Kunden bedient. Vor der der Dominanz der Geldautomaten ist man in die Filiale gegangen und wenn man dort kein Konto hatte, so gab es die Möglichkeit mittels EC-Scheck, EC-Scheckkarte (und Personalausweis) Geld abzuheben. Bis zu 400 DM für 5 DM Entgelt.
Mein Ausbilder sagte mir damals: „Sagen Sie nicht, dass es 5 DM kostet, sondern fragen Sie, ob sie die 5 DM passend haben, oder ob Sie sie abziehen sollen.“
Natürlich wird über die geschlossene Frage die Aufmerksamkeit von dem Entgelt als solches, auf die Abwicklungsmodalitäten gelenkt. Und natürlich versuchen wir alle oftmals über geschlossene Fragen „eine Abkürzung“ zu nehmen – das fängt im Zweifel ja schon beim Mittagessen mit den Kindern an.
Das eigentliche Spiel – etwas abstrahiert – ist es doch, dem Gesprächspartner die eigene Logik überzustülpen und dabei gleichzeitig die des Gesprächspartners eben nicht zu übernehmen…
Aber warum ist das so?
Weil es ein inneres Streben nach Sicherheit und Berechenbarkeit gibt. Wir versuchen das Gespräch zu steuern, damit wir über Dinge und Argumente sprechen können, die wir kennen, die wir beherrschen. (Manchmal will man einfach auch nur Trainiertes abrufen können.)
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, zu vermuten, dass man möglicherweise auch aneinander vorbei argumentiert oder sich im Gespräch verhaken kann, ohne vielleicht den Kern zu erreichen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich reagiere zunehmend allergisch auf Formulierungen wie:
- „Du musst… damit…“ (Kausalität als Zwang)
- „Entscheide Dich für A oder B“ (Einengung durch geschlossene Frage)
- „Ich habe… also erwarte ich von Dir“ (Reziprozität oder die Erwiderung von Gefälligkeiten einfordern)
- „Nur noch heute…“ (Erzeugen von Zeitdruck)
- …
Es sind letztlich alles Formulierungen, die versuchen mein Denken und Handeln in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die „Allergie“ ist vermutlich eine Folge aus der Art und Weise, wie man als „Konsumvieh“ medial beglückt wird und der Häufigkeit, mit der einem dieses im (Arbeits-)Alltag begegnet. Neben der versuchten Beeinflussung der logischen Kette darf eines nicht vergessen werden: der mögliche Lösungsraum des Gespräches wird begrenzt, auf das Bild oder die Bilder, die der Gesprächsführer im Kopf hat. Es ist vielleicht zeitlich effizient und auch manchmal effektiv, aber es ist kein Raum für eine neue, bisher ungedachte und unbesprochene Lösung.
Ich möchte daher ein Experiment vorschlagen:
Vor einem Gespräch – egal welchem – setzen Sie sich ein Ziel, was sie in dem Gespräch erreichen wollen. Da Sie dieses Ziel Ihrem Gegenüber auch direkt nach der Begrüßung sagen werden, wählen Sie also ein geeignetes, realistisches und ansprechendes Ziel aus, für das Sie den Gesprächspartner auch tatsächlich gewinnen können (oder könnten).
In dem Gespräch konzentrieren Sie sich nur auf Ihr Gegenüber und zwei weitere Dinge: das Gesprächsziel und das weder Sie, noch Ihr Gegenüber, Formulierungen verwenden, die als manipulativ und einflussnehmend empfunden werden könnten.
Viel Erfolg mit dem Experiment und ich freue mich über Ihr Feedback!