
Die Begriffe „Kundennähe“, „Kundenliebe“ und „Kundenorientierung“ klingen alle ähnlich und sind doch in ihrem Kern so verschieden.
Ich ordne – für eine rein geistige Visualisierung – den Begriff Kundennähe in die Mitte zwischen Kundenliebe und Kundenorientierung ein.
Die Kundennähe hat drei Dimensionen: räumlich/persönlich, gedanklich und emotional. Der Begriff der Kundennähe im Marketing der siebziger und achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts stellte vorwiegend auf eine räumliche Nähe ab und war oftmals der Inbegriff für ein ausgeprägtes Filialnetz oder möglicherweise auch für besondere Öffnungszeiten. Es ging darum greifbar und erreichbar zu sein.
Mit zunehmender Digitalisierung, aber auch bereits zuvor mit dem steigenden Stellenwert von Telefonen und Faxgeräten hat eine gedankliche Nähe an Relevanz gefunden, wenngleich diese gedankliche Nähe damals im Marketing niemals so stark thematisiert wurde. Logisch: Wenn ich nicht mehr durch die Tür komme, dann muss ich halt dran denken anzurufen oder auch einmal aktiv nachzufragen.
Die emotionale Kundennähe ist etwas, das durch langjährige Beziehungen quasi automatisch entsteht. Diese emotionale Kundennähe ist das Gegenstück zur gewollten (emotionalen) Kundenbindung, denn eine Bank oder Sparkasse handelt durch ihre Mitarbeiter. (Die rationale Ebene der Kundenbindung findet auf Ebene der Institutionen statt.) Schwierig wird es möglicherweise dann, wenn die emotionale Kundennähe größer wird, als emotionale Nähe zu dem Arbeitgeber. Dies muss nicht zwingend ein Interessenkonflikt sein, aber jeder abhängig Beschäftigte (in jeder Branche) muss wissen, wem gegenüber er aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet ist.
Dies führt dann zu dem zweiten Begriff, der „Kundenliebe“. Wer im Vertrieb erfolgreich sein will, sollte Menschen mögen bzw. sollte ihm leicht fallen, mit Menschen in Kontakt zu treten und vor allem auch in Kontakt zu bleiben. Diese Menschenliebe (und damit auch Kundenliebe) ist selbstverständlich eher abstrakt zu verstehen, also als Fähigkeit und nicht als Emotion oder gar Leidenschaft. Wenn das Verhältnis zu Kunden oder zu einzelnen Kunden zu emotional aufgeladen ist, dann leidet die Qualität der Beratung in fast jedem Fall darunter. Es werden möglicherweise unangenehme Themen vermieden, die aber trotzdem wichtig sein können. Es entsteht ganz leicht eine Art der „Mauschelkultur“. Dem Kunden wird nicht mehr reiner Wein eingeschenkt, sondern „ich erledige das für dich“. Was zunächst als besonderer Service gedacht ist, entwickelt sich im Laufe der Zeit eigendynamisch zu Intransparenz, Verantwortungsdiffusion und am Ende vielleicht sogar zu einer gefühlten Täuschung.
Eine (positiv und konstruktiv) kritische Distanz zu den Kunden, Geschäftspartnern, wie zum eigenen Arbeitsplatz, lässt den notwendigen Freiraum zum Denken und zu einer möglichst objektiven und damit auch hochwertigen Beratung.
Letztendlich fehlt noch der Begriff der „Kundenorientierung“. Kaum ein Begriff ist häufiger falsch verstanden worden oder auch missbraucht worden, als der der Kundenorientierung. Es geht um den Perspektivwechsel, nicht um eine Zuwendung oder gar Zuneigung.
Kundenorientierung bedeutet das Angebot aus der Nutzersicht zu gestalten: Es gilt in Problemen des Kunden und den zugehörigen Lösungen zu denken – und zu kommunizieren. Kundenorientierung ist somit das Gegenteil von Produktorientierung. Ich produziere, was ich verkaufe anstelle von ich verkaufe, was ich produziere.
Das bedeutet aber auch gleichzeitig, dass Kundenorientierung keinesfalls mit Kundennähe oder Kundenliebe zu verwechseln ist. Kundenorientierung ist eine Einstellung, eine Denkweise und eine Art und Weise der Marktbearbeitung; sie sagt nichts über Preisstellung, Sympathie oder Vertriebskanal aus.
Ein Kommentar zu “Kundennähe, Kundenliebe, Kundenorientierung”