Gedanken zur Bereitstellungsprovision in der Immobilienfinanzierung

Dieser Blogbeitrag hat vordergründig einmal nichts mit Vertrieb zu tun.

Vor einiger Zeit gab es ein aktuelles Urteil zur Breitstellungsprovision. Die Veröffentlichung, die mir in dem Zusammenhang aufgefallen ist, habe ich nachfolgend einmal verlinkt:

Aktuelles Urteil: Baufinanzierung: Bereitstellungsprovision darf Darlehenszinssatz erheblich übersteigen (Beck-Aktuell, zu OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.10.2021 – 17 U 545/20)

Im Kern ging es aus einer Verbraucherschutzperspektive um den Preisunterschied zwischen Darlehenszinssatz und der Höhe der Bereitstellungsprovision, kurz: geht es um einen absoluten oder um einen relativen Abstand für eine Beurteilung der Angemessenheit und Rechtmäßigkeit?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Schlussfolgerungen des Gerichtes uneingeschränkt folgen kann (Urteil ist pro Bank ausgegangen!) – und vermute daher, dass es in naher Zukunft zu weiteren Verfahren kommen wird, die sich dem Thema auch aus einer anderen Seite nähern:

Nur kurz, zur Ausgangslage: typischerweise wird eine Bereitstellungsprovision von Banken und Sparkassen mit einem Jahressatz von 3 % bepreist, oftmals wird dieses Entgelt mit 0,25 % als monatlicher Satz ausgewiesen. Dieser Preis besteht unverändert seit langer Zeit im Markt weist damit keine Zinsabhängigkeit aus.

Aber wofür bezahlt ein Kunde eigentlich eine Bereitstellungsprovision, bzw. welche Leistung der Bank oder Sparkasse wird hier eigentlich in Rechnung gestellt?

Grundsätzlich bekommt der Kunde durch diese Nebenabrede (!) die Möglichkeit eingeräumt, den Kreditbetrag ganz oder in Teilbeträgen auch zu einem späteren Zeitpunkt als dem grundsätzlich vereinbarten Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen. Typischerweise diese Phase auf zwei Jahre begrenzt und ein bis dahin nicht ausgezahlt der Kreditbetrag wird dann im Regelfall einbehalten.

Die Zinszahlung durch den Kunden beginnt grundsätzlich im Einklang mit den ausgezahlten Kreditbeträgen, eine Tilgung setzt typischerweise erst mit Vollauszahlung ein oder andernfalls mit dem Ende der Bereitstellungsphase (=dann eine Herabsetzung des Darlehensbetrages auf den ausgezahlten Teil).

Also bezahlt der Kunde für eine zeitliche Flexibilität in der Kreditinanspruchnahme und die Möglichkeit von Teilauszahlungen des Kreditbetrages.

Für die Bank oder Sparkasse bedeutet die Einräumung dieser Möglichkeit (vereinfacht) folgendes:

  • Kosten oder zumindest ein Kostenrisiko für die Refinanzierung des Darlehens durch möglicherweise entstehenden Abweichungen von der Kalkulationsgrundlage aus dem kalkulierten Angebot, welches dem Darlehensvertrag zu Grunde liegt. In diesem Sinne entsteht eine gewisse Art an „Forwardprämie“, die sich aus einer unsicheren Zukunft erklärt.
  • Gegebenenfalls entsteht für den Kreditgeber ein höheres Kreditrisiko, welches sich aus einer insgesamt möglicherweise verlängerten Laufzeit erklärt (bedingt durch die längere vertragliche Bindung) und damit einhergehend einen gegebenenfalls späteren Mittelrückfluss aus einer verzögert einsetzenden Kredittilgung. („Risikoprämie“)
  • Gegebenenfalls verlängerte Bindung von Eigenkapital (RWA, Risk-weighted assets / Risikoaktiva). („Eigenkapitalkosten“)

Ein kurzer Blick in den Markt: bei Zinssätzen von 1,0 – 1,5 % (rein exemplarisch für fünf bis zehn Jahre Zinsbindungsfrist) macht die Bereitstellungsprovision gegenwärtig aus Kundensicht das zwei bis dreifache der Zinskosten aus. Hier setzt das oben verwiesene Urteil an; aufgrund des Niedrigzinsniveaus ist ein relativer Abstand nicht sachgerecht für eine Betrachtung der Sittenwidrigkeit. Soweit so gut.

Wirtschaftlich gedacht kann ein Kredit mit einer zehnjährigen Zinsbindungsfrist und einer vereinbarten zweijährigen Bereitstellungsphase eigentlich doch nicht teurer sein, als ein Kredit mit einer kalkulierten zwölfjährigen Laufzeit. Diesem liegt die Überlegung zugrunde, dass wirtschaftlich eine Vollauszahlung erfolgt, zwei Jahre später die Tilgung beginnt und die nicht verwendeten Kreditbeträge zwischenzeitlich risikofrei angelegt werden.

Aus dieser Perspektive gibt es sehr wohl eine zwingende Kopplung zwischen einer Bereitstellungsprovision und dem aktuellen Marktzinsniveau, bzw. der Zinserwartung. Wenn die zusätzlichen Zinskosten für eventuell verlängerte Laufzeit (zwölf Jahre statt zehn Jahre) auf die ersten beiden Jahre als Bereitstellungsprovision verteilt werden muss/soll und aus dem Nichtabruf der Mittel gegebenenfalls sogar ein Verwahrentgelt anfallen würde, dann kann Höhe der Bereitstellungsprovision möglicherweise sogar die Größenordnung von 3 % p.a. erreichen, allerdings rund Lage einer Überprüfung von aktuellen Marktgegebenheiten.

Der für mich jedoch viel entscheidender Punkt ist die Frage, ob eine Bereitstellungsphase in einem Immobilienkredit (gern auch als Baufinanzierung bezeichnet) tatsächlich eine eigenständige Leistung für sich genommen darstellt, oder vielmehr eine Nebenleistung der Darlehensgewährung ist und die daher über die Höhe des Zinssatzes abzugelten wäre.

Immerhin erfolgt doch eine Teilauszahlung von Immobilienfinanzierungen nicht auf dem freien Wunsch eines Kunden hin, sondern folgt der vorgegebenen Umsetzung von Zahlungsverpflichtungen – oftmals analog zum Baufortschritt – die von Banken, Bauträgern & Co. dem Bauherren abverlangt werden. Es geht um die Abbildung von Zug-um-Zug-Geschäften, bzw. Teilleistungen und dem damit einhergehenden Sicherungsinteresse des Kreditgebers. (Darüber hinaus kann die Zusage (Auszahlung nach Baufortschritt, etc.) nicht entkoppelt von dem Darlehensverhältnis vereinbart werden.)

Ich halte es nicht für sachgerecht, dass vertragliche Kreditverhältnis frei von der notwendigen Rückkopplung mit den Kreditsicherungsverträgen zu betrachten.

Eine jeweils einzelne Beantragung von Finanzierungsabschnitten durch den Kreditnehmer, um Bauphasen jeweils geschlossen darzustellen, führt zu fehlender Handlungssicherheit beim Kreditnehmer und gleichzeitig zu keinem wirtschaftlich sinnvoll entstehenden Sicherungsrecht bei dem Kreditgeber, einhergehend mit einem deutlich höheren (unwirtschaftlichen) Prüfungsaufwand von Bau- und Kreditunterlagen für alle Parteien.

Gleichzeitig bestünde die Gefahr eine informelle, wirtschaftliche Zusage zu erteilen, da es ab einer bestimmten Phase nicht sinnvoll möglich ist, weitere Finanzierer einzubinden UND es für die Grundschuldgläubiger (wahrscheinlich) günstiger wird, zu Ende zu bauen. Damit gibt es einen wirtschaftlichen Point-of-no-return, ab dem keine echte freie Entscheidung durch das Kreditinstitut mehr möglich ist. Damit würde faktisch eine Auszahlung nach Baufortschritt (Zug-um-Zug gegen den Erwerb von Sicherungsrechten oder anteiliger Fertigstellung von Sicherungseigentum) resultieren – losgelöst von der beabsichtigten Vereinbarung.

Die Auszahlung nach Baufortschritt liegt damit in einem überwiegenden Interesse der Sphäre des Finanzierungsgebers und nicht des Kreditnehmers. Eine Bank behält Verhandlungsmacht und Kontrolle über die sachgemäße Baufertigstellung und mitigiert auf diese Weise eigenes Kreditrisiko. Der Kunde hat lediglich den Vorteil, dass anteilige Zinszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt erst beginnen und er noch kein nicht investiertes Geld verzinsen muss. Gleichwohl stellt sich an dieser Stelle erneut die Frage nach einer angemessenen Höhe; wobei eine Wertung als Nebenleistung der Hauptleistung Kredit einen Baustein der möglichen Antwort bereithält.

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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