Deutschland nach Corona

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen überhaupt nichts zu dem Themenfeld zu schreiben, weil es bereits so viel vielfältig und meist (oder zumindest oftmals) auch kompetenter besetzt ist. Allerdings sehe ich zunehmend Beiträge, die sich damit auseinander setzen, wie die Welt, wie Deutschland, nach Corona sein wird.

Da werden erhebliche Veränderungen herbeigeredet sowohl wirtschaftlich wie auch emotional-kulturell. „Zeitenwende“ habe ich gar irgendwo gelesen.

Ich glaube das alles nicht und mag daher nicht – wie ursprünglich geplant – zu dem Thema schweigen. Wenn der Mensch als Individuum eines bewiesen hat, dann dass er Träge ist und sich nur in der Not verändert und anpasst. Wir dürfen also unsere Intelligenz und Rationalität nicht überschätzen, denn einprogrammierte Verhaltensweisen und Instinkte sind stärker – auch weil hartnäckiger. Schließlich haben wir beim Umweltschutz auch kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Darüber hinaus durften wir im letzten Jahr verfolgen, wie zunehmender Abstand zu den dunklen Kapiteln der Deutschen Geschichte zu Verdrängung und Relativierung durch Einzelne und Gruppierungen führte – und es augenscheinlich genügend Empfänger für derlei Botschaften gab und gibt.

Warum sollte ein Virus mehr bewirken können? (Da habe ich erhebliche Zweifel!)

Aber: einige Änderungen sehe ich durchaus – neben der Tatsache, dass wahrscheinlich nicht alle Unternehmen/Arbeitsplätze die Krise überstehen werden:

  1. Das Hygienebewusstsein wird tendenziell wachsen. Mehr Deutsche werden dauerhaft Desinfektionsmittel mitführen und einsetzen. (In den USA (in NY beobachtet) schon seit Längerem geübte Praxis). Auch die Schutzmasken werden häufiger im Straßenbild zu sehen sein und bleiben, wenngleich nicht in der Intensität Asiens. (Möglicherweise werden die sogar als modische Accessoires gestaltet und/oder als Zubehör für Sport-Outfits.) Auch der Abstand zwischen Menschen bzw. in Menschengruppen dürfte sich vergrößern und vor allem bewusster wahrgenommen werden.
  2. Das Homeoffice wird an Vorurteilen verlieren. Führungskräfte werden lernen, dass sie ihren Mitarbeitern im Hinblick auf Einsatz und Leistungsbereitschaft weitergehend vertrauen können, als sie es bisher getan haben. Dennoch haben wir in Deutschland eine extrem ausgeprägte Anwesenheitskultur. Diese aufzubrechen und in eine natürliche Balance zu kommen wird jedoch dauern und erst sukzessive mit dem Generationswechsel im Arbeitsleben an Dynamik gewinnen.
  3. Die Globalisierung verliert an Strahlkraft. Die Lohnkostengefälle sanken und sinken ohnehin; die Länge der Supply-Chain erzeugt Komplexität und Kosten. Zu der bisherigen chancenfokussierten Betrachtung kommt nunmehr ein profundes Risikomanagement. Alternative Bezugsquellen und kürzere Beschaffungswege gewinnen an Bedeutung.
  4. Lieferdienste gewinnen an Bedeutung. In Zeiten von Kontakt- und Ausgangssperren gehören die Lieferdienste zu den Krisengewinnlern. Aber losgelöst davon, werden viele Menschen nunmehr Lieferdienste austesten, die sie bisher nicht genutzt haben. Entweder wegen des Preises oder weil das eigene Einkaufserlebnis im Vordergrund stand. In Städten kann ich mir vorstellen, dass Lieferdienste gute Teile im Standardsortiment in den Verbrauchergewohnheiten abdecken können – und für die Premiumprodukte wird dann wieder auf ein stationäres Einkaufserlebnis zurückgegriffen. (Gern auch dann der Wochenmarkt.)
  5. Kontaktlose Verfahren bekommen einen Schub. Egal ob Kartenzahlungen oder Paketannahme – es wird Bereitschaft und Notwendigkeit gesehen, hier weitere Möglichkeiten zu etablieren. Für Bequemlichkeit, aber auch für Sicherheit/Hygiene.
  6. Pauschalreisen steigern ihren Marktanteil. Auch wenn eine Sondersituation dazu führt, dass jeder im Zweifel sein Geld vor Reiseantritt zurückerstattet bekommt. Als Pauschalreisender ist man besser abgesichert, hat nur einen Ansprechpartner – und wenn etwas passiert, auch nachdem die Reise angetreten wurde, kann und darf man sich auf den Reiseveranstalter der Pauschalreise (eher) verlassen.
  7. Reisen mit dem PKW gewinnen noch weiter an Relevanz. Das eigene Auto bietet Transportmittel und Rückzugsraum in einem, zudem behält man weitestgehend die Kontrolle über die eigene Mobilität. Fernreisen, insbesondere nach Asien, werden vermutlich die nächste Zeit nicht ganz oben auf der Deutschen Wunschliste stehen, so dass wir davon ausgehen dürfen, dass die Urlaubsstraßen noch ein wenig voller werden.
  8. Das Ernährungsbewusstsein wird wachsen. Die viele Zeit, die Menschen jetzt im Homeoffice verbringen – egal ob als Familie oder allein, führt zu einer anderen Befassung mit der Ernährung. Es gibt nicht die bequeme Kantine und den Lieblingsitaliener in der Nachbarschaft. Eigentlich ein idealer Zeitpunkt an der eigenen Ernährung zu arbeiten, wenn man es denn will. Davon können dann auch regionale Erzeuger profitieren.

Es gibt sicherlich weitere Veränderungen, die ich hier jetzt nicht erwähnt habe, aber keine dieser Veränderungen wird „disruptiv“ sein. Denn eines ist sicher: An dem Tag, wo das Gegenmittel auf dem Markt kommt, verpufft 80% der heute beschworenen Veränderungsbereitschaft.

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

7 Kommentare zu „Deutschland nach Corona

  1. Danke Thies,

    gut, dass wir auch dieses Thema starten, weil wenn Menschen darüber nachdenken, dann kommen auch neue Geschäftsideen und neue Jobs

    Hier alles gut! Drück dich

    JP

    Gefällt 1 Person

  2. Lieber Thies,
    eine sehr gute Zusammenfassung mit vielen wichtigen Gedanken zu einem Thema, das uns noch sehr lange bewegen und beeinflussen wird. ich bin übrigens etwas optimistischer, was die Veränderungs-Wirkung für die Haltung der Menschen angeht.
    Herzliche Grüße
    Gerd

    Gefällt 1 Person

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