Umgang mit notleidenden Krediten seit April 2019 (NPL-Backstop)

Bereits seit etwa einem Jahr gibt es eine neue Regelung zum Umgang mit notleidenden Krediten, auch Non-performing loans (NPL) genannt. Diese EU-Verordnung (2019/630) ist am 25.04.2019 in Kraft getreten und findet seit 26.04.2019 Anwendung – d.h. für alle notleidenden Kredite, die ab dem 26.04.2019 notleidend geworden sind. Diese Verordnung ist – anbetracht der bisherigen Konjunktur und dem Niedrigzinsumfeld – den meisten vermutlich gar nicht wirklich aufgefallen. Anbetracht der Entwicklung der letzten Wochen, macht es durchaus Sinn, sich mit dieser Regelung einmal näher zu befassen.

Im Kern geht es darum, dass bei NPL in Abhängigkeit der verstrichenen Zeit Wertberichtigungen/Rückstellungen (als Mindestgröße zu verstehen) gebildet werden müssen. Nicht abgedeckte Positionen müssen vom Eigenkapital abgesetzt werden. Die Verordnung spricht auch von „freiwilligen Rückstellungen“ – dies kann nur so verstanden werden, dass ggfs. auch dann (lediglich) handelsrechtliche Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen, wenn der Abschlussprüfer keine hinreichende Materialität für handelsrechtliche UND steuerliche Wertberichtigungen feststellt. Damit sind diese Anpassungen als Mindestwertberichtigungen für NPL-Forderungen zu verstehen. Für die Wertberichtigungen wird jedoch zwischen dem besicherten und dem unbesicherten Teil unterschieden; hieraus mag sich in der Praxis wiederholter Gesprächsbedarf mit dem Prüfer (und ggfs. auch der Aufsicht) ableiten. Im Rahmen der Sanierung bzw. Abwicklung eines Engagements dürften die Einschätzungen zu den Sicherheiten auch mal „atmen“. (Solange eine Bank nicht deutlich überkapitalisiert ist, wird sie die (freiwilligen) Rückstellungen (~Einzelwertberichtigungen) dem Kapitalabzug wegen der damit verbundenen Hebelwirkung () auf die Risikotragfähigkeit (RTF) wohl vorziehen.)

Die Definition der Ausfallereignisse (im Kern 90 Tage Verzug) wurde nicht angepasst/erweitert.

  • im ersten Jahr: keine Anpassung notwendig
  • im zweiten Jahr: 35% Wertanpassung auf unbesicherte Forderungen
  • ab dem dritten Jahr: 100% bei unbesicherten Forderungen
  • im dritten Jahr: 25% auf den besicherten Teil (Mobilien/Immobilien)
  • im vierten Jahr: 35% auf den besicherten Teil (Mobilien/Immobilien)
  • im fünften Jahr: 55% auf den besicherten Teil (Mobilien/Immobilien)
  • im sechsten Jahr: 70% auf den besicherten Teil von Immobilien, 80% bei Mobilien
  • im siebten Jahr: 80% auf den besicherten Teil von Immobilien, 100% bei Mobilien
  • im achten Jahr: 85% auf den besicherten Teil von Immobilien
  • ab dem neunten Jahr: 100% auf den besicherten Teil von Immobilien

Was bedeutet das jetzt in der Praxis?

Grundsätzlich wird jede Bank, jede Sparkasse versuchen zusätzliche Wertberichtigungen über die eigene Einschätzung hinaus zu vermeiden; in jedem Fall aber die aufsichtsrechtlichen Kapitalabzüge. Also wird die Einschätzungspraxis auch auf die Bemessung von angemessener Tendenziell vorsichtiger werden und sich diesem Mindestlevel annähern. Kreditausfälle werden also (zumindest vorübergehend) teurer für die Banken.

Die Aufsicht will einen Anreiz schaffen, dass sich die Banken aktiv mit ihrem NPL-Portfolio beschäftigen und nichts „aussitzen“. (Wobei es sicherlich Länder gab und gibt, wo dies ein größeres Problem als in Deutschland ist.)

Als Bank werde ich doch nun versuchen möglichst zügig meine Blankorisiken abzubauen; spätestens im Jahr 3 könnte ich an einen Dritten verkaufen – und mit positivem Kaufpreis lohnt es sich für mich bzw. entlastet meine GuV.

PS: Auch für den Forderungskäufer gilt das historische Ausfalldatum bei der Ermittlung der notwendigen Wertberichtigung. Dies spricht dafür, dass aus dem Käuferkreis Banken bzw. KWG-regulierte Institute ausscheiden.

Auch die besicherten Forderungsteile kosten zunehmend mehr Geld bzw. schlagen sich stärker in der GuV durch. Bei Mobilien macht eine zügige Verwertung ohnehin meistens Sinn, um durch zu langes Abwarten und fehlende Nutzung/Wartung der Maschinen keine zusätzlichen Wertverluste zu erleiden. Aber auch bei Immobilien wird die Bank bis zu einer Verwertung nicht einen neuen Zyklus abwarten können. Es ist also gut möglich, dass wir mehr bzw. schnellere Zwangsversteigerungen sehen und auch Banken sich auf niedrigere Gebotee einlassen („müssen“/werden), als in der Vergangenheit.

Dann hoffen wir mal, dass es noch ein wenig dauert, bis wir diese Erfahrungen machen dürfen.

Weitere Infos:

Link auf die EU-Verordnung

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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