Gedanken zu (Mindest-)Preisen im Kreditgeschäft

(C) Thies Lesch, 2017

Die Einführung von Basel II (und in der Folge Basel III) hat in den Banken und Sparkassen die Ära des Preistableaus, so wie ich es aus der Ausbildung kannte, im Kreditgeschäft beendet. Die deutlich aufgewertete Bedeutung der Einschätzung von Kreditrisiken führte zu dem Ersatz der Preisliste zumeist durch eine Formel bzw. Berechnungslogik.

Der bis dato eher mit dem breiteren Daumen festgelegte Preis, der die Bearbeitung, das Kreditrisiko aber auch den erhofften Gewinnsanspruch beinhaltete – und der dann auch noch markt- oder wettbewerbsorientiert angepasst werden konnte – wich einem „präzise“ ermitteltem Preis.

Die Rechenformel übernimmt, anders als in der Vergangenheit, einen größeren Anteil an der Preisbildung, als der Betreuer. Die gestiegene Komplexität führt zudem dazu, dass vielfach einzelne Preiskomponenten nicht mehr mit einem Bauchgefühl aus dem Stand überprüft werden können. Der Berater ist damit vielfach von einem Preisbilder zu einem Preisempfänger geworden.

Hinzu kommt, dass sich die Risikoschätzfunktion durch die eingeführten Ratingverfahren zwar deutlich verbessert hat, im Kern aber unverändert eine Schätzfunktion darstellt. Der tatsächliche Risikoverlauf in einem Kredit kann sich also besser, schlechter oder (manchmal) auch genauso darstellen, wie im Vorwege über das Ratingverfahren „vermutet“.

Bei mehrjährigen Krediten ist es also durchaus wahrscheinlich, dass die Kundenbonität, zumindest für einen Teil der Laufzeit des Kredites, von der berechneten Bonität abweicht. Es wird dann also so sein, dass es Perioden in der Kreditlaufzeit gibt, in dem sich der Kredit wirtschaftlich für die Bank oder Sparkasse anders darstellt, als geplant.

Solange es sich aus Sicht des Kreditgebers in die richtige Richtung entwickelt, ist es kein Problem. Eine Verschlechterung der Bonität um ein bis zwei Stufen hingegen kann die Profitabilität leicht vollständig aufzehren oder gar das Geschäft für den Betreuer (in den relevanten Perioden) defizitär werden lassen. (Ohne Covenants gibt es während der Laufzeit des Kredites in der Regel keine Möglichkeit auf die Preisstellung nachträglich einfluss zu nehmen – und die Mischkalkulation ist eben eine reine Kalkulation und wirtschaftlich keine Ab- oder Versicherung für diese Kalkulation!)

Es ist also notwendig, dass mathematiklastige Pricing im Außenverhältnis, dort wo iummer möglich, mit Puffern zu versehen, um eine höhere Sicherheit zu bekommen die angestrebte Profitabilität für ein Geschäft auch tatsächlich zu realisieren. Denn: der Risikoverlauf ist nicht linear, d.h. eine Bonitätsverschlechterung hat eine dramatisch höhere Auswirkung auf die Profitabilität eines Geschäftes als eine Bonitätsverbesserung in gleicher Größenordnung. Damit muss ich mich in der Preisstellung also tendenziell in Richtung Worst Case orientieren; der Best Case bleibt ein reiner Mitnahmeeffekt.

Um diesen Effekt in der Preisbildung zu erreichen, ist es notwendig, dass sich der Kundenberater wieder stärker vom Preisempfänger zum Preisbilder entwickelt. Hierfür ist es hilfreich, wenn die Komplexität im Preisbildungsprozess reduziert wird – und Preiskompetenz im Vertrieb belohnt wird. (Preiskompetenz = Preise bilden und durchsetzen)

In der Praxis hat sich dafür die Einführung eines Mindestmargentableaus bewährt. Auf diese Weise erlebt die alte Preistabelle wieder eine Renaissance und ein Preis kann (wieder) leicht und ohne Formel ermittelt werden. Die in dem Tableau enthaltenen Margen befinden sich (leicht) oberhalb des über die Formel ermittelten Niveaus. Auf diese Weise lassen sich gleich zwei Effekte realisieren: zum einen wird ein möglicher Puffer für atmende Risikokosten geschaffen und zum anderen gewinnt der Betreuer Spielraum für Preiskompetenz. (Typischerweise bedürfen Preise unterhalb des per Formel errechneten Preises unmittelbar der Genehmigung z.B. durch einen Vorgesetzten.)

Sofern die Vertriebssteuerung nicht nur auf Erlöse (=DB I) abstellt, sondern auf Erlöse nach Risiko (=DB II) und direkten Kosten (=DB III), erhalte ich ein Brennglas auf die Preisstellung im Kreditgeschäft und auf Erträge aus Cross-Selling. Dies schafft zudem die notwendige Motivation für den Vertrieb mit den wiedergewonnenen Freiheiten in der Preisgestaltung zu arbeiten.

Spätestens seit dem Gerichtsurteil zu den Bearbeitungsgebühren aus dem Jahr 2017 auch noch mal aus einer anderen Perspektive bedenkenswert.

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

2 Kommentare zu „Gedanken zu (Mindest-)Preisen im Kreditgeschäft

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