
Bei Veränderungen werden sofort Emotionen ausgelöst. Veränderungen können mit einer positiven Erwartung versehen sein, oder auch mit einer Negativen. Es geht im Kern darum, ob die erwartete Veränderung attraktiv ist oder nicht.
Wenn ein Hersteller, beispielsweise für ein Mobiltelefon, eine Produktverbesserung ankündigt, dann wird diese zumeist attraktiv sein. Nicht nur weil das Wort „Verbesserung“ dieses suggeriert, sondern weil Produktnutzer, die das Gerät bereits nutzen, eine Verbesserung als Investitionen in das Kundenerlebnis und damit als Wertschätzung empfinden.
Bei einer notwendigen Verhaltensänderung sieht es mit der Attraktivität bereits gänzlich anders aus. Zum einen ist der Schweinehund präsent und mächtig, zum anderen gibt es ja auch für das bestehende Verhalten einen Grund und damit auch eine gegebene Attraktivität für den Status quo.
Beispiel: Die Ernährung soll umgestellt werden oder es muss eine Diät gemacht werden; alternativ soll auch endlich mal vernünftig mit Sport begonnen werden. Die Trägheit oder den Schweinehund hatten wir bereits. Aber wir alle kennen sicherlich auch die Situationen in denen man anfängt, sich mit Ausnahmen selbst zu belügen, oder wo man es nicht ganz so eng sieht, weil man ja gerade erst angefangen ist. Jeder ist im Herzen doch recht milde zu sich. Der nächste große Stolperstein ist dann der erste erreichte Erfolg, denn dann steht meist eine Selbstbelohnung (=Motivation zum Weitermachen) an, die oftmals eine Abkürzung in den Rückfall zum alten Verhalten bildet. („Endlich mal wieder was Ordentliches essen!“) So oder ähnlich müsste ich wahrscheinlich meine ersten Versuche mit dem Rauchen aufzuhören vor etwa 20 Jahren beschreiben.
Auf den betrieblichen Alltag übertragen lässt sich oft beobachten, dass mit Veränderungen sehr vorsichtig agiert wird. Der Beweggrund, ob so kommuniziert oder nicht, liegt darin, dass die „Leute mitgenommen werden“ sollen – sprich: es gibt eine Angst (begründet oder nicht), die Menschen mit der Veränderung zu überfordern (mindestens jedoch sie zu verprellen).
Aber anders als in der Homöopathie wird eine Veränderung durch eine Verdünnung nicht potenziert. Durch Vorsicht und Zaghaftigkeit geht der größte Teil der Wirkung verloren, bevor es eigentlich losgegangen ist.
Denken wir an den Schweinehund: Damit er sich in Bewegung setzt, muss ein deutliches und ambitioniertes Ziel aus der Veränderung festgelegt und allen klar kommuniziert werden.
Diese Kommunikation hat zwei Kernfunktionen:
- sie erhöht die Teilhabe und bietet vor allem den Betroffenen die Möglichkeit sich aktiv mit einzubringen (dies ist das Eigentliche, was dem „die Leute mitnehmen“ entspricht)
- sie erhöht die Verbindlichkeit und das Commitment, weil die Veränderung eine sichtbare Öffentlichkeit bekommt, in der sich Menschen zu dieser Veränderung vor anderen bekennen.
Wir kennen es doch auch von uns, wenn wir uns schwierige Dinge vornehmen, dann erzählen wir im Familien- oder Freundeskreis davon, um uns selber besser in die Pflicht nehmen zu können. Ein offenes Sprechen über die eigenen Pläne und Vorhaben erhöhen den Grad der Verpflichtung in einer Gruppe, denn schließlich will man nicht sich und schon gar nicht andere enttäuschen. Diesen Effekt gilt es auszunutzen.
Weg oder Ziel?
Eine Grundfrage, die bereits früh beim Planen von Veränderungen zu entscheiden ist: geht es um die Reise oder um das Ziel? (sprich: geht es um eine relative Veränderung oder um eine absolute Veränderung?)
Wer sich auf das Ziel festlegen will, kann den Beteiligten (und Betroffenen) leichter Freiheitsgrade ermöglichen, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Dies lässt Freiräume für Ideen, Lösungen und die aktive Beteiligung aller. Vermutlich passt dieses Vorgehen eher bei strategisch getriebenen Veränderungen und daraus abgeleiteten strategischen Zielen.
Wer sich hingegen auf den Weg (die Reise) festlegen möchte, ist damit agiler, weil womöglich die Rückkopplungsschleifen kürzer sind und so schneller nachgesteuert werden kann. Dies dürfte in dynamischen Umfeldern verbreitet und zweckmäßig sein. Die möglichen Freiheitsgrade sind damit allerdings auch auf die jeweils aktuelle bzw. nächste Etappe begrenzt.
Im echten Leben finden wir oftmals – in unterschiedlicher Ausprägung – selbstverständlich eine Mischung aus beidem, aber es ist dennoch sinnvoll, vor dem Start der Veränderung ein Bild von dem gewünschten Ergebnis vor Augen zu haben – und dieses Bild auch mit allen zu teilen, denn auf dieses Bild muss hin gesteuert werden.
In der Veränderung zeigt sich die Persönlichkeit, der Charakter. Das betrifft in Unternehmen sowohl die Führungskraft als auch die Geführten. Manches ist vorhersehbar – zum Beispiel, dass Mitarbeitende ein grundlegendes Sicherheitsbedürfnis haben und Veränderungen gegenüber daher zunächst einmal skeptisch sind. Andererseits ist auf Seiten der Führungskraft ebenfalls manches vorhersehbar, wenn die Haltung dieser Führungskraft transparent ist: Zum Beispiel im Hinblick auf Werte wie Empathie, Respekt, Gestaltungsmut, Kommunikationsfähigkeit u.a.m. Übrigens gibt es Menschen, die Veränderungen durchaus lieben und schätzen.
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Lieber Gerd,
vielen Dank für Deine Ergänzungen! Du hast natürlich Recht: Veränderungen und Change Management ist viel größer und vor allem Vielschichtiger als ich es dargestellt habe. Ich habe mir bei dem Eisberg den Teil gegriffen, der aus dem Wasser herausragt, und da lässt sich oftmals eine (zu) große Behutsamkeit in der Dosierung beobachten und eine (zu) geringe Teilhabe der Betroffenen.
Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Oftmals entstehen so die besten Ideen – und die Veränderungsbereitschaft ist oftmals größer, als „man“ (wer auch immer jeweils gerade „man“ ist) denkt.
In einer Veränderung hat jede einzelne Facette eine Berührung zur Kommunikation; dadurch ist auch jedes Thema und jede Herausforderung auch immer ein Kommunikationsproblem. Und das von Dir erwähnte grundlegende Sicherheitsbedürfnis ist oftmals Angst vor dem Nebel.
Wenn Mitarbeiter und Kollegen verstehen, dass sie nicht allein in den Nebel geschickt werden sondern, dass das Team zusammensteht und man sich gemeinsam auf den Weg macht, dann ist sofort eine Offenheit für die Themen da.
Als Führungskraft in einem Veränderungsprozess nicht zu kommunizieren, weil man a) glaubt nichts Neues zu haben, b) befürchtet, die Informationen werden als bedrohlich/unangenehm wahrgenommen, c) Angst hat, sich korrigieren zu müssen, d) selber nicht weiß, wie es weiter geht oder – am schlimmsten – e) befürchtet als schwach wahrgenommen zu werden, ist der Keim eines Scheiterns.
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