
Ich erlebe immer mal wieder Diskussionen um das für und wider von Kundensegmentierungen. Auf Seiten der Kritik werden Argumente angeführt wie: „Das ist realitätsfremd“ oder „Die Daten sind nicht genau genug!“
Bei den Befürwortern einer Kundensegmentierung wird leider häufig immer noch das Argument zumindest mit beigemischt, dass es state-of-the-art sei. Es ist sehr schade, etwas nur zu tun, weil „man“ es eben so macht oder weil andere es tun – es ist immer das schwächste Argument. Und gleichzeitig liegt darin bereits die „kleine“ Offenbarung, dass man in Wirklichkeit nichts verändern möchte.
Eine Kundensegmentierung ist keine Schublade für die Kunden, sondern ein Instrument der Vertriebssteuerung!
Als Marktsegmentierung wird eine Aufspaltung des „relevanten Marktes“ in homogene Segmente bzw. Teilmärkte bezeichnet. Sie stellt die Grundlage einer differenzierten Marktbearbeitung dar. (Manfred Bruhn (2014), Marketing – Grundlagen für Studium und Praxis, 6. Auflage, SpringerGabler, Wiesbaden, S. 58)
Das Ziel einer Kundensegmentierung ist es also etwas zu verändern und nicht eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass man alles richtig gemacht hat. Wer nichts verändern will oder wer glaubt nichts verändern zu können, sollte sich die Arbeit einer Kundensegmentierung sparen.
Für den gedanklichen Einstieg in die Kundensegmentierung muss zunächst eine Perspektive gewählt werden. Entweder nähere ich mich aus der Kundenperspektive und beginne dann Segmente mit gleichartigem Kundenbedarf zu bilden oder ich nähere mich aus der Anbieterperspektive und versuche dementsprechend Segmente zuschneiden, die mir besonders profitabel scheinen und setze dort vorrangig meine Ressourcen ein.
Der Einstieg über den Kundenbedarf ist für das Privatkundengeschäft vermutlich einfacher oder naheliegender. Möglicherweise denkt man in Lebensphasen eines typischen Kunden und kommt vielleicht auch auf die Idee, dass man Lebensphasen eher als „und“ denn als „oder“ sehen kann, um die Unschärfe der Lebenswirklichkeit vielleicht etwas treffender abzubilden, als es ein reines Schubladenmodell könnte.
Im Firmenkundengeschäft funktioniert so ein Ansatz eher nicht. Hier gibt es Themen und Bedarfe, die sich aus den einzelnen Branchen ableiten, aus der Größe der Unternehmen, aus ihrer Rechtsform, aus der Lebensphase der Gesellschafter. Des Weiteren gibt es neue Trends oder regulatorische Auflagen, Umwelteinflüsse aus Markt und Wettbewerb; die Eigentümerstruktur hat ebenfalls Auswirkungen und ist zugleich auch eine Schnittstelle zum Privatkundengeschäft.
Grundsätzlich – damit auch abseits einer jeglichen Kundensegmentierung – ist Financial Planning ein sinnvolles Werkzeug, um beide Perspektiven – die Geschäftliche wie die Private – miteinander zu verbinden. Ein Financial Planning ist im Kundengespräch ein guter Einstieg bzw. ein guter Absprungpunkt in die aktuellen Themen, die es zu bewegen gilt.
Aufgrund dieser doch sehr hohen Heterogenität an Bedarfen von Firmenkunden ist es wahrscheinlich sinnvoller, eine Kundensegmentierung als Werkzeug zur optimierten Ressourcenzuweisung einzusetzen. Es ist dabei jedoch besonders wichtig, die noch vorhandenen Potenziale als wesentliches Element dieser Kundensegmentierung zu berücksichtigen. Selbstverständlich ist es äußerst schwierig, Potenziale angemessen zu bestimmen. Noch viel schwieriger, bis ins esoterische hinein, ist eine objektive und quantitative Bewertung dieser Potenziale.
Aber: Eine Kundensegmentierung, die sich ausschließlich an der Vergangenheit orientiert, an getätigtem Geschäft, an abgeschlossenen Volumen und realisierten Erträgen, ist sinnlos. Es wäre lediglich der Versuch, Bestehendes zu bestätigen und zu verstärken.
Bevor eine Kundensegmentierung ein- oder durchgeführt werden kann, muss das damit verfolgte Ziel abgeklärt werden. Je nachdem, eine solche Segmentierung aufgesetzt ist, gibt es verschiedene Felder (Kunden, Produkte, Ressourceneinsatz, etc.) für die als Ergebnis die Bereiche „mehr“, „gleich“ oder „weniger“ herauskommen soll. Wenn für bestimmte Produkte oder Kunden keine Zeit mehr aufgewendet werden soll (= es soll keine Personalressource aus dem Vertrieb dort investiert werden), dann ist es eine Managemententscheidung, die verbindlich umzusetzen ist. Wenn bestimmte Kundencluster als besonders zukunftsträchtig bewertet werden oder bestimmte Produkte verstärkt werden sollen, dann ist das ebenfalls eine umzusetzende Entscheidung.
Die wichtigste Führungsaufgabe liegt jedoch darin, allen Beteiligten klarzumachen, dass mit der Verabschiedung einer Kundensegmentierung die Diskussion über diese Kundensegmentierung und ihre Ergebnisse ein Ende hat. Die erste gemachte Ausnahme ist das Ende der Konsequenz dieser Maßnahme.
PS: Dies ist selbstverständlich kein Plädoyer für einen Blindflug. Zu einer vernünftig vorbereiteten Kundensegmentierung gehört in jedem Fall eine Simulation ihrer Ergebnisse. Der zentrale Punkt, um den es geht, ist es die Konsequenzen zu ertragen bzw. auch dann in die Umsetzung zu gehen, wenn man den Kunden lieber mag, als das Ergebnis der Segmentierung.