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Wie war die Strategie der großen Brauereien in den letzten Jahrzehnten?
Ich glaube, man kann es ganz einfach auf den Punkt bringen: Es ging darum, potenzielle Mängel oder Wahrnehmungsfehler am Produkt zu beseitigen.
Die Hypothese, die dem zugrunde liegt, ist, dass sehr oft der Konsument nicht selbst über das Produkt entscheiden kann, was er dann konsumiert, sondern z.B. ein Veranstalter. Es geht um Partys, um feierliche Anlässe, Fußballstadion, wie auch immer: Es gibt dort ein einziges Bier, nur eine Marke, nur ein Produkt – was er nicht selbst ausgewählt hat, sodass seine Entscheidung nur darin bestehen kann, trinke ich es oder trinke ich es nicht.
Also überlegen sich die Marktforscher, wie sie Störfaktoren oder negative Wahrnehmung am Produkt beseitigen können, zumal dann nicht die Produktauswahl in den Fokus gerät, sondern die aktive Produktabwahl: Es geht schlicht darum, nicht negativ aufzufallen, kein negatives Feedback zu erzeugen, welches sich dann an den Veranstalter, wer auch immer das in dem Einzelfall sein mag, richtet, was dann womöglich dazu führen könnte, die Auswahl des Getränkeangebots für zukünftige Veranstaltungen zu überdenken.
Das führt natürlich dazu (wir sind jetzt wieder in der Marktforschung), wenn es insgesamt weniger negatives Feedback gibt, gibt es in Umfragen beim Net Promoter Score (dem NPS), weniger Detraktoren – also weniger schlechte Bewertungen. Damit steigt der NPS im Umfrageportfolio logischerweise an.
Aber negatives Feedback zu verhindern, führt natürlich allein nicht dazu, Spitzenbewertungen zu erzeugen: Denn das Beseitigen von Schwächen im Produkt bedeutet letztendlich, dass ich im Beispiel von Bier den Geschmack verändere. Also ich nehme Dinge an Geschmack raus, die dazu führen, dass Leute bestimmte Biere nicht mögen. Also zu bitter, zu süß, was auch immer.
Was im Ergebnis dazu führt, dass sich der geschmackliche Abstand zwischen den ganzen großen kommerziellen Biersorten, also zwischen allen Mengenanbietern, die davon betroffen sind, weniger unterscheidet, als dies noch vor 10, 20 oder 30 Jahren der Fall war.
Und wenn man diesen Gedanken jetzt weiterspinnt, könnte man sagen, dass Craft Beer nicht nur eine Erscheinung des Zeitgeists oder ein Ausdruck von Individualität ist, sondern es eine strategische Lücke im Produktangebot füllt, welche die großen Anbieter erst geschaffen haben.
Wenn dies gedanklich auf das Bankgeschäftsmodell übertragen wird: Wie sieht es denn aus mit den Fintechs? Ist das Zeitgeist oder füllen sie eine strategische Lücke, also eine zu verzögerte, eine zu zaghafte Modernisierung und Innovation bei den Anbietern?
Das führt natürlich auch zu der Frage, wenn ich dieses Umgehen mit Kundenfeedback übertrage: Bei welchen Produkten oder bei welchen Leistungen fokussieren Banken eigentlich zu sehr auf die Schwäche oder auf das Eliminieren von Schwächen im Angebot anstelle auf die Weiterentwicklung von Stärken und Alleinstellungsmerkmalen? (Und das soll jetzt keinesfalls das anspruchsvolle regulatorische Umfeld ignorieren.)
In diesem Sinne ein Appell, fokussiert euch auf die Stärken, vermarktet die Stärken, weil die führen dazu, dass sich Menschen für Produkte interessieren und begeistern können.
Die Schwächen sind ein Hygienefaktor, aber niemals der Kern einer strategischen Initiative.
Also: wo ist der Holzweg?
