
Jede Beziehung beginnt mit einer ersten Begegnung, einem ersten Eindruck. Das gilt privat wie geschäftlich. Manchmal wird das Bild des „Eisbrechens“ bemüht, wenn über die ersten vertrauensschaffenden Schritte am Beginn einer Beziehung gesprochen wird. Um in dem Eisbild zu bleiben: zu Beginn ist das Eis noch sehr dünn und trägt nicht, bzw. nur sehr wenig.
Der Gesprächspartner hat – in Abhängigkeit der jeweiligen Rolle der beiden Gesprächsteilnehmer – bestimmte Erwartungen daran, wie er angesprochen wird, was das Gegenüber sagen darf oder um was es Bitten – oder gar fordern – darf.
Mit der Aufnahme der Interaktion beginnt ein soziales Spiel, über dessen Regeln man nicht sprechen kann – zumindest nicht mit dem unmittelbaren gegenüber, der Teil des Spieles ist – und daher muss man sich in jedem neuen Spiel für jeden neuen Spielpartner über seine Intuition und sein Gespür an die „Regelvarianten“ herantasten.
Ziel des Spieles ist es, von dem gegenüber als vertrauenswürdig und als potentieller Partner eingeschätzt zu werden. Wobei die Bedeutung des Begriffes Partner von dem Kontext der jeweiligen sozialen Interaktion abhängig ist. Wenn ich den Kontakt zu vorsichtig oder zu zögernd eröffne, dann wird mich mein Gegenüber möglicherweise als ängstlich oder sogar als schwach einschätzen. Wenn ich hingegen zu dominant und zu bestimmend auftrete, dann besteht die Gefahr Gesprächspartner zu überfordern oder zu verschrecken.
Zwischen diesen beiden Extremen spannt sich der Akzeptanz-Kanal auf. In der Mitte des Akzeptanz-Kanals besteht für beide Augenhöhe. Verlasse ich den Akzeptanzkanal ist die Interaktion am Ende und alles was noch folgt, wird der Erziehung geschuldete Höflichkeit sein.
Wenn ich den Akzeptanzkanal nach unten verlasse, dann bin ich für den Geschäftspartner eine reine Zeitverschwendung und nicht hilfreich. Wenn ich mich in der oberen Hälfte des Akzeptanzkanals aufhalte, dann muss der Gesprächspartner auch die eine oder andere Zumutung einstecken, aber in einer Dosis, die er verträgt und sein Interesse an der Fortführung der Interaktion überwiegt. Je nach Kontext kann diese Zumutung Teil einer Konditionsverhandlung sein oder auch schlicht eine Offenheit in der Kommunikation, die diese Person ansonsten nicht gewohnt ist oder die für den jeweiligen Kontext vielleicht auch unüblich ist.

In einer Beziehung – und eine regelmäßig wiederkehrende Interaktion ist eine solche – tritt ein gewisser Lerneffekte ein. Die Parteien kennen sich, sie vertrauen sich bzw. wissen an welchen Stellen sie sich nicht vertrauen (können, wollen oder dürfen) und haben eine stabile, erfahrungsverprobte gegenseitige Erwartungshaltung.
Das bedeutet, dass beide im Zeitablauf immer stärker während der Interaktion in ihrer Komfortzone verbleiben – sofern nicht neue Reize gesetzt werden.
Aus diesem Grund ist es die Aufgabe eines jeden Beziehungsmanagers und Kundenbetreuers in dem Akzeptanzkanal mit seinen Kunden jeweils die oberen Grenzen zu testen, um auch dadurch die Grenzen zu verschieben. Wenn der Kunde Mut gewohnt ist, kann er nur durch noch mehr Mut beeindruckt werden.
Durch das Verschieben der Grenzen im Akzeptanzkanal gewinnt der Berater vor seinem Kunden an Respekt, an Format und an Relevanz. Und klar ist, je höher die Akzeptanzgrenze gewandert ist, desto eher kann ich als Berater Themen ansprechen, die im Zweifel nicht einmal dem besten Freund anvertraut werden.
PS: Ich danke Marc Laubsch (Marc Laubsch Training und Coaching, 22087 Hamburg) (https://www.marclaubsch.com/) für dieses Modell und die Inspiration für diesen Beitrag.
Lieber Herr Lesch,
das Modell ist in der Tat eine nette Inspiration. Das Modell lässt sich auch wunderbar auf Führung und Management anwenden, bspw. auf die Frage, wie breit bei Führungskräften der Akzeptanz-Kanal in Sachen Homeoffice, Elternzeit, Kinderbetreuung, etc. ist … bei diesen Themen drohen m.E. recht schnell „Beziehungsabbruch“ und „Zeitverschwendung“
Beste Grüße G. Geyer
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