Führung im Firmenkundengeschäft

In Banken und Sparkassen lässt sich sehr häufig ein Unterschied im Führungsverhalten zwischen dem Privatkunden- und dem Firmenkundengeschäft ausmachen.

Im Privatkundengeschäft wird oft sehr umsetzungsorientiert geführt. Dies erklärt sich selbstverständlich aus dem zugrunde liegenden Mengengeschäft, in dem eine hohe Stückzahl an Kunden mit – in Abhängigkeit des individuellen Bedarfsprofiles (Lebensabschnitt) – standardisierten Produkten und Dienstleistungen versorgt werden soll.

Im Firmenkundengeschäft erlebt man an dieser Stelle statt dessen oftmals eine stark ausgeprägte Konsenskultur mit einem Hang zum Diskurs. Dies hat zumeist externe wie interne Ursachen.

Zu den externen Ursachen gehört sicherlich, dass jeder größere Firmenkunde – aufgrund seines Ertragspotenzials und seiner Relevanz für die Bank oder Sparkasse – eine individuelle Betrachtung rechtfertigt, um für diesen speziellen Kunden nach der richtigen Lösung für das Kundenproblem zu suchen. Gleichzeitig sind die Beträge, um die es geht – und die damit verbundenen Kreditrisiken – auch deutlich größer als im Privatkundengeschäft, so dass eine falsche Risikoeinschätzung eine wirtschaftlich deutlich größere Tragweite hätte.

Die internen Ursachen leiten sich ein Stück weit aus den Externen ab. So führt die große Bedeutung der größeren Firmenkunden ebenfalls zu einer erhöhten Einschätzung der eigenen Relevanz in der Organisation; es leitet sich daraus ein erhöhter Selbstwert ab. Hinzu kommt eine natürliche Verzerrung, der grundsätzlich zunächst jeder Mensch unterliegt. Wenn man sich intensiv in einer Gruppe bewegt und von dieser Gruppe auch als zugehörig empfunden wird, so beginnt man die vorhandenen Attribute und Kompetenzen der Gruppe auch ein Stück weit auf sich selbst zu übertragen. In diesem Fall bedeutet es, dass ein Firmenkundenbetreuer, der viel Zeit mit Finanzgeschäftsführern und kaufmännischen Leitern verbringt, sich ebenfalls (Teile) diese(r) unternehmerischen Attribute und Fähigkeiten zuschreibt. (siehe auch: Systemtheorie / Luhmann)

Jetzt geht es um die Gratwanderung: wie viel Diskussion ist im Einzelfall sachgerecht? (Oder: Wieviel Diskussion erträgt die Organisation?)

Mit „Einzelfall“ kann ein Kunde gemeint sein, aber auch ein einzelner, spezieller Kollege. Aufgrund der hohen Anforderungen an Erfahrung und Qualifikation an einen Firmenkundenberater darf es nicht das Ziel sein, diese Art von Diskussionen grundsätzlich zu vermeiden. Allerdings gibt es das deutsche Talent, vor lauter Diskussion und fehlender Perfektion der Rahmenbedingungen nicht in die Umsetzung zu gehen.

Für eine sinnvolle Diskussion sollte die Führungskraft mindestens eine der folgenden Fragen mit „Ja“ beantworten können, idealerweise alle drei:

  • „Geht es um den Kunden?“
  • „Ist es zielorientiert?“ und vor allem:
  • „Mündet es in einer Aktivität?“

Wenn Mitarbeiter dazu neigen, zu viel – gefühlt alles – zu diskutieren, dann sollte sich die Führungskraft die Frage stellen, ob es diesem Mitarbeiter wirklich um die Sache geht, oder um eine Plattform für die Wahrnehmung eben dieses Mitarbeiters. Wenn die Führungskraft als Antwort zur zweiten Hälfte des vorstehenden Satzes neigt, dann sollte sie sich fragen, ob die individuelle Wertschätzung und das gemeinsame Feiern von Erfolgen den notwendigen Stellenwert im Team hat – oder ob dies möglicherweise eine Ersatzhandlung dafür sein könnte. Wenn es sich jedoch um einen Mitarbeiter handelt, der zu diskutieren scheint, um den Zeitpunkt der Handlung in die Zukunft zu schieben, dann sollte die Führungskraft diese Diskussion zügig beenden – zur Not auch abbrechen.

Exkurs: Oftmals wird in diesem Kontext zurückhaltend bis wenig geführt, weil die Führungskraft zum Beispiel Rücksicht auf den vollen Terminkalender, die komplexen Themen und das hohe Anforderungsprofil seiner Mitarbeiter nehmen möchte. Diese Zurückhaltung ist jedoch nicht angebracht und sie ist auch nicht zielführend.

Mit Führung eines Mitarbeiters im Vertrieb ist nicht gemeint, dass ihm gesagt werden muss, was er tun soll oder wie er es tun soll. Beides darf man zu Recht von einem gestandenen Mitarbeiter im Vertrieb erwarten.

Führung hilft jedoch, wenn die gestellten Fragen aus dem Kreis der Folgenden stammen:

  • „Was machst Du gerade?“
  • „Was ist der nächste Schritt?“
  • „Welche Probleme gibt es?“
  • „Was ist deine Einschätzung?“
  • „Was willst du ansprechen?“
  • „Wie kann ich Dir helfen?“
  • „Welche Ideen hast Du?“
  • „Wann geht es weiter?“
  • „Wie wollen wir vorgehen?“

Für die einen mag es „nudging“ sein, für die anderen ist es „coaching“, aber: bei vielen und komplexen Themen hilft es, wenn „einer“ den roten Faden immer wieder hochhält – ohne sich dabei ausschliesslich auf eine Rolle als Trommler auf der Galeere zurückzuziehen. Der Vertrieb lebt von dem Geschäft, dass es über die Ziellinie geschafft hat! Also: Raus aus dem Planen, ran an die Umsetzung!

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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