
„Wir müssen uns schlanker aufstellen!“ oder „Wir konzentrieren uns noch stärker auf den Kunden!“
So oder ähnlich werden täglich notwendige Veränderungen in den verschiedenen Organisationen anmoderiert. Und ganz schnell folgen die Reaktionen der (womöglich) betroffenen: „Das machen wir doch schon!“, „So schlecht, wie wir gemacht werden, sind wir nicht!“ oder „Das ist falsch, das geht so nicht!“ usw.
Das kann man jetzt als natürlichen Abwehrreflex der (trägen) Organisation abtun, aber das allein springt zu kurz.
Gerade bei Finanzdienstleistern ist eine objektive Kontrolle der Leistung und Leistungsqualität der Mitarbeiter schwierig. Ob eine Kreditentscheidung oder ein Investment richtig oder falsch waren, dass weiss ich meistens erst Jahre später. Und wenn es schief gegangen ist, dann kann es am Mitarbeiter bzw. seiner Einschätzung gelegen haben, muss es aber nicht.
Das Vertrauen der Führungskraft in seine Mitarbeiter ist damit also nochmals deutlich wichtiger, als es ohnehin vorausgesetzt wird und/oder in anderen Industrien möglich ist. Vertrauen ersetzt ein Stückweit die Qualitätskontrolle.
Machen wir uns nichts vor: die meisten Prozesse sind durch IT-Abläufe mehr oder weniger vorgegeben. Eine Umstrukturierung im Betrieb hat nur eine geringe oder erst eine langfristige Auswirkung auf die Abläufe. Wenn sich die Kollegen kennen und vertrauen, dann können sie sehr gut zusammenarbeiten – egal in welcher Organisation sie arbeiten. (Solange gesetzte Ziele dem nicht entgegen stehen.)
Viel entscheidender – als die rein sachlich verargumentierte Veränderung – ist also die Tatsache, dass eine Umorganisation ein Machtmittel für die Führungskraft/-mannschaft ist. Bestehende Seilschaften können zerschlagen werden und Vertrauensleute können platziert werden.
Diesen Misstrauensbeweis sollte man jedoch nicht zwangsläufig persönlich nehmen. Üblicherweise wird der Organisation misstraut, nicht konkreten Personen (es sei denn, es gibt einen Anlass dazu).
Es ist wichtig, diese zweite (soziale) Facette einer Umorganisation zu erkennen und sich in der Auseinandersetzung mit der persönlichen Betroffenheit nicht an der Sachebene festzubeissen.
Seien Sie innerlich dankbar, dass die Katze aus dem Sack gelassen wurde. Erkennen Sie die Chance – und wenn Sie dabei bleiben wollen – bringen Sie sich ein. Zeigen Sie, dass Sie vertrauenswürdig und Teil der Zukunft sind. Ihre Ideen sind gefragt – nicht zwangsläufig zur Umsetzung, sondern als Identitätsbeweis. Diskutieren Sie durchweg konstruktiv, auch so können Sie Einfluss nehmen.
Jede Regung, die als Blockade oder Widerstand gesehen werden kann, wird womöglich missverstanden. (Nochmal: es geht nicht um die Sachebene, auch wenn einzig diese offen besprochen wird.)
Im Internet heisst es: „Don’t feed the Trolls!“ – bei Veränderungssituationen im Betrieb gilt es abgewandelt: „Füttern“ Sie nicht das Misstrauen oder die Skepsis der Vorgesetzten.
(Und, wenn man nach dem Lesen des Textes ehrlich zu sich selbst ist: Die Ankündigung einer Umorganisation fühlt sich für die Mitarbeiter wie ein Vertrauensentzug an – oder?)