
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass kleine Kunden und große Kunden grundsätzlich unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Während es bei kleineren Kunden typischerweise um Standardprodukte geht, um eine besonders schnelle Lösung eines Problems und auch um die Beratung als solches, geht es bei den größeren Kunden darum, dass es eine individuelle passgenaue Lösung für diesen Kunden ist und der Partner (die Bank oder die Sparkasse) als zuverlässig und verlässlich empfunden wird.
Dies habe ich bereits einmal ausführlicher dargestellt. Hier –> Investitionsfinanzierungen bei kleineren und größeren Unternehmen – eine Perspektive
Ganz logisch führt dieses in der Konsequenz dann auch zu einer unterschiedlichen Art und Weise der Marktbearbeitung für die Bank oder Sparkasse.
In dem Segment der kleineren Kunden findet man Daten in hohes Maß an Standardisierung vor, eine begrenzte Produktpalette zur Auswahl und vor allem relativ viele Kunden, sowohl in Stückzahl als auch im Verhältnis zur Betreuungskapazität.
In dem Segment der großen, individuellen Kunden riecht es nach Manufaktur und es finden sich deutlich weniger Kunden in diesem Bereich. Einer insgesamt geringere Stückzahl an Geschäftsvorfällen wird mit einer jeweils individuellen Vorbereitung versehen. Dies führt in Kombination (Stückzahl und Individualität) zu einer geringeren Routine im Sinne des betriebswirtschaftlichen Erfahrungskurveneffektes.
Es zeichnet sich damit ab, dass eine Art Zweiklassengesellschaft geschaffen wird – sowohl mit Blick auf die Kunden als auch mit Blick auf die Berater, durch die unterschiedlichen Beratungs-, Verkaufs- und Arbeitsmethoden.
Wenn man jedoch daran glaubt, dass eine Digitalisierung und damit eine notwendige Standardisierung, Modularisierung und Automatisierung für das Bankgeschäft die Zukunft bedeuten, dann müsste das Segment der großen Kunden von dem Segment der kleinen Kunden systematisch lernen. Egal ob man jetzt gleich an Künstliche Intelligenz oder Machine-Learning denkt, auch so werden die Prozesse und die Algorithmen immer besser. Daher wird die Digitalisierung immer stärker in die Manufaktur hineinwachsen und sie eines Tages möglicherweise sogar übernehmen.
Ich erlebe, dass hiervor noch oft die Augen verschlossen werden und die Digitalisierung ausschließlich (bzw. zu sehr) auf das Mengengeschäft gedacht wird. Sowohl in der Konzeption der Prozesse, aber besonders in der Bereitschaft proaktiv die Chancen aus den möglichen Veränderungen zu ergreifen. Es wirkt manches Mal, als seien Protagonisten stolz darauf, einen Manufakturkredit zu Fabrikpreisen zu verkaufen.
Dabei stellt doch gerade das Segment mit den individuellen Kunden die eigentlichen Herausforderungen für die Digitalisierung. Echte Probleme aus dem wirklichen Leben bieten einen laufenden Fundus an Impulsen und Ideen den technisch umgesetzten Standard weiterzuentwickeln und ihn so mit mehr Intelligenz, Empathie und Wärme auszustatten.
Wie oft erleben Sie es als Retailkunde, dass Sie umständlichen oder fragwürdigen Prozessen ausgesetzt sind? Egal ob es fünf Bildschirmmasken sind, die sie bestätigen müssen, obwohl Sie sämtliche Daten aus einer anderen Anwendung übernommen haben, oder ob sie in einer Hotline von Warteschleife zu Warteschleife vermittelt werden, bevor sie ihr Problem richtig schildern konnten, denn schließlich ihr Problem so besonders, dass niemand richtig zuständig ist. Typischerweise landen sie am Schluss der Reise wieder bei dem allerersten Ansprechpartner. Dies sind alles Beispiele dafür, ist die Gefahr groß ist, Prozesse an der Kundenschnittstelle zu sehr aus der eigenen Fabrikdenke zu gestalten und zu wenig auf das Kundenerlebnis, die Kunden Reise zu achten.
Im Feld der Finanzinnovationen gibt es die Redensart: „Heute eine strukturierte Lösung, morgen ein Commodity-Produkt!“ In dieser Aussage steckt viel Wahrheit und daher ist es sinnvoll zu schauen, welche Kundenfragestellungen aus dem Individualgeschäft für die Zukunft auch in das Mengengeschäft übertragen werden müssen. Hinzuschauen heißt zu lernen.