Auf dem Weg von der Bilanz-Bank zur GuV-Bank

Es ist keine neue Geschichte: die klassischen Geschäftsmodelle der Banken sind unter Druck – sei es durch Niedrigzins oder auch Digitalisierung. Die – mehr oder weniger – bekannten Plattformen ziehen in großem Umfang die Nachfrage auf sich. Wer nicht selbst zur Plattform wird (was auch immer das ist), kann nur als Kostenführer nachhaltig bestehen.

Regionalbanken sind typischerweise eher mittelständisch geprägte Institute, die sich nur in Ausnahmefällen für eine Kostenführerschaft qualifizieren. Dies ist bei der regionalen Prägung auch gar nicht das Primärziel, geht es doch um lokale Kundenkenntnis und -zugang, sowie das Verzahnen in und mit der Region. Verschiedene Beratungsgesellschaften (u.a. zeb und Bain) sehen die zukunftsfähige Rolle für Regionalinstitute (=regional begrenzt aktive Institute, die aufgrund ihrer Größe keine bundesweite Relevanz haben) als „Lotse“ oder „Navigator“. Ihre Aufgabe besteht darin (muss darin bestehen) „Kundenversteher“ zu sein.

Kurzum: Es geht darum die Kundenbeziehungen zu monetarisieren. Dies gelingt nur, indem für den Kunden sichtbare Mehrwerte (Nutzen) und ein entsprechendes Kundenerlebnis geschaffen wird. Hierzu zählen insbesondere proaktive Beratungsleistungen, die sich auf die Lebenssituation des Kunden beziehen – bzw. im gewerblichen Geschäft sich gedanklich auch im Geschäftsmodell und der Sphäre des Kunden bewegen. Aktuelle Themen und Herausforderungen des Kunden müssen erkannt und vorweg genommen werden.

(Beispiel/Frage: Jeder Firmenkunde hat einen StB bzw. WP, zu dem er ein besonderes Vertrauensverhältnis hat und mit dem er _alles_ bespricht. Gleiches dürfte wohl auch für einen (Haus- und Hof-)Anwalt gelten, der besonders häufig und/oder auch für alle wichtigen Dinge eingebunden wird. Hat dieser Firmenkunde auch einen Berater dem er sich gleicherweise öffnen kann und will?)

Augenscheinlich scheint noch sehr verbreitet der Glaube vorzuherrschen, dass eine Eigenkapitalverzinsung primär durch Eigenkapitaleinsatz, sprich das eigene Kreditbuch, zu erzielen ist. Das führt vertrieblich natürlich dazu, dass das Hauptaugenmerk in der Marktbearbeitung auf dem reinen Aktivgeschäft verbleibt und alle anderen Bedarfsfelder des Kunden als Cross-Selling abqualifiziert werden. Aus der Perspektive der Banksteuerung führt dies de facto zu einem weiter steigenden notwendigen Ambitionsniveau. Der notwendige Gewinn muss nicht nur die Eigenkapitalkosten für die Anteilseigner erwirtschaften, sondern er muss zudem auch ausreichend sein, um über Rücklagen das Kapital zu stärken. (Erst wenn die Bank Kapitalkosten und Inflation verdient hat, wird sie tatsächlich stärker (growing fat vs. growing muscles)).

Der Kreditfokus ist natürlich anbetracht der Historie und dem daraus gewachsenen Selbstverständnis nachvollziehbar, allerdings hat der Kunde weitere Themen außer Working Capital-Bedarf oder Außenfinanzierung von Investitionen – und dem Eigenkapital ist es im übrigen egal, ob die Verzinsung aus Provisionen verdient wird.

Verkaufen ist Pflicht. Das umfassende Abdecken der Kundenbedarfe – auch jenseits vordergründiger Vorteilhaftigkeitskalkulationen einzelner Produkte und Lösungen – ist förmlich zwingend, um den Vertrauensstatus am Kunden zu behalten und die Kundenbeziehung gegen den Wettbewerb abzuschirmen. Die angebotenen Produkte und Leistungen müssen natürlich sämtlich hinterfragt werden und – gleichsam einer Plattform – über make-or-buy Entscheidungen auf den Prüfstand gestellt werden.

So wird weiteres profitables und nachhaltiges Wachstum ermöglicht – und die (möglichen) Restriktionen aus einer Bankbilanz relativieren sich. Bald werden Banken intensiver über Kundenanzahl und Produktnutzungsverhalten ihrer Kunden reporten, als über Bilanzsumme. Das ist gut, denn das ist für die Kunden und die meisten Stakeholder relevanter, als abstrakte, große Zahlen, die die Vorstellungskraft vieler übersteigen.

Veröffentlicht von Thies Lesch, LL.M.

Thies Lesch (Baujahr 1972) studierte, nach Bankausbildung und Weiterbildung zum Handelsfachwirt, Betriebswirtschaft an der Fernuniversität in Hagen und schloss mit den Vertiefungen Bankbetriebslehre und Wirtschaftsinformatik als Diplom-Kaufmann ab. Mit einigen Jahren Abstand folgte in 2016 der Master of Laws in Wirtschaftsrecht an der Hamburger Fernhochschule HFH mit den Vertiefungsschwerpunkten Arbeitsrecht, Mediation und – als Abschlussthema – Kreditrecht. Die Masterarbeit „Negative Zinsen und das Kreditgeschäft: Rechtliche Herausforderungen für Banken in Deutschland“ wurde vom SpringerGabler-Verlag in das BestMasters-Programm aufgenommen und erschien im Januar 2017 als Fachbuch. Die über 25 Jahre Berufserfahrung erstrecken sich in verschiedenen Rollen und (Führungs-)Funktionen weitgehend auf das Firmenkunden(kredit)geschäft und nationale wie internationale Spezial-/Projektfinanzierungen. Thies Lesch ist ein ausgewiesener Experte in Vertriebsmanagement und Vertriebssteuerung mit ausgeprägter strategischer Kompetenz und hohen Change-Management-Skills. Sein Interesse gilt der Systematisierung im Vertrieb, der potenzialorientierten Marktbearbeitung und der Zukunftsfähigkeit des Produktangebotes von Banken und Sparkassen.

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