
Vorkalkulation trifft Realität
Die Annahmen der Vorkalkulation finden sich oftmals in der Realität so nicht wieder. Die angesetzten Kosten sind zu hoch, zu niedrig oder anders verteilt. (Meist allerdings zu niedrig, weil man sich ja nicht aus dem Markt kalkulieren will = also gedanklich eine Teilkostenrechnung.)
Risikokosten werden simuliert und verdurchschnittet. Die Wirklichkeit ist mal besser, mal schlechter – wenn schlechter dann, aber meist richtig und deutlich schlechter = stärker als in der Simulation eingepreist.
Grundsätzlich könnte man sich auf den Standpunkt stellen: Es ist halt eine Portfoliobetrachtung, da sind mal ein paar Bessere und mal ein paar Schlechtere dabei. Es ist nur leider der falsche Standpunkt. Durch den Exponentialverlauf der Risikokostenfunktion, sind die Ausreisser „nach unten“ in gleicher Höhe viel schlimmer, als es die Ausreisser „nach oben“ wieder ausgleichen können. Gleichzeitig lehrt die langjährige Berufserfahrung, das es immer mehr Ausreisser nach unten als nach oben gibt – es also nicht so ausgeglichen ist, wie es uns die gaussche Normalverteilung lehren will. Zumindest oszilliert sie nicht um den 0-Punkt.
Der Anspruch muss also sein = jeder Kunde für sich muss profitabel sein. Für andere Branchen als Finanzdienstleister ist das ein No-Brainer – sprich mehr als nur eine Selbstverständlichkeit.
Profitablität definiere ich als positiven Deckungsbeitrag nach Risikokosten, Teilkosten (Bearbeitungskosten) und zugeordneten Gemeinkosten. Eigenkapitalkosten kann man mit berücksichtigen, aber genau genommen sind EK-Kosten Bestandteil des Unternehmensgewinns im Sinne einer Mindestrendite – daher lasse ich sie hier raus.
Warum ist ein Portfolio (einer Bank, eines Geschäftsfeldes, eines Betreuers) weniger profitabel als geplant bzw. kalkuliert?
- Die Bonität (=Rating) ist oder wird schlechter als kalkuliert = höhere Risikokosten
- Sicherheiten kommen nicht, wie vereinbart oder in schlechterer Qualität = höhere Risikokosten
- Vereinbartes Folgegeschäft kommt nicht, kommt später = weiterer Ertrag / Cross Sell fehlt zur Kalkulationsannahme
- die Ziehungen im Kredit folgen später und/oder geringer als kalkuliert
- der Kundenbeziehung werden Kosten in Rechnung gestellt, die in der Kalkulation (aus welchen Gründen auch immer) nicht enthalten waren.
Jeder Kunde – wirklich jeder Kunde – versteht, dass man aus der Geschäftsbeziehung Geld verdienen muss und keiner Verluste machen will. Ob man sich über die Höhe des Geld verdienens verständigen kann oder ob man sich über Preise einigen kann, sind davon gänzlich unabhängige Themen. Aber: der Kunde ist grundsätzlich ansprechbar auf die Zufriedenheit mit der Geschäftsbeziehung. Es ist nicht nur das Recht des Kunden, sich gegenüber dem Dienstleister zu der Geschäftsbeziehung zu äußern!
Folgende Maßnahmen kommen in Betracht, um die Profitablität im Portfolio in den Griff zu bekommen:
- Sonderkonditionen hinterfragen und ggfs. abschaffen
- Margen im Aktivgeschäft erhöhen (=Weitergabe der höheren Risikokosten)
- Vereinbarung einer Bearbeitungsgebühr (=unter Beachtung der rechtlichen Fallstricke im Kreditgeschäft!)
- Covenants vereinbaren, um das Kundenrisiko zu managen und Margengrid in Bezug auf Covenantwerte vereinbaren (=Automatismus: höheres Risiko, höherer Risikoaufschlag – und anders herum)
- Covenants überwachen und die Waiverfees durchholen
- Ergänzungsgeschäft (Cross-Sell) mit dem Kunden besprechen und fest vereinbaren
- Trennung vom Kunden. (= geordneter Prozess, keine zeitliche oder emotionale Überreaktion)
Der letzte Punkt ist ganz wichtig. Die Profitablisierung im Portfolio wird nicht durchgeführt, mit dem Ziel sich vom Kunden zu trennen. Aber beide Seiten – Berater wie Kunde – müssen wissen, dass es eine ernsthafte Konsequenz sein kann, wenn man nicht zueinander findet. Nur dann wird das Gespräch von beiden Seiten mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit geführt. (Weder Kunde noch Berater sind Bittsteller; ein gutes Geschäft muss beiden Seiten Freude bereiten!)
Ganz ehrlich: wenn ich mit einem Kunden unter dem Strich Geld verliere und es keine Ansätze, Ideen oder Bereitschaft gibt, hieran etwas zu verändern – welche andere Konsequenz als Trennung darf dann noch eine Rolle spielen?
Ein Kommentar zu “Die Profitabilisierung des Kundenportfolios”